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Als am 5. März der erste Corona-Fall in Südafrika gemeldet wurde, reagierte die Regierung unter Staatspräsident Cyril Ramaphosa mit einem der härtesten Lockdowns der Welt. Bereits zehn Tage später rief Ramaphosa den landesweiten Katastrophenzustand aus. Die folgenden Wochen und Monate waren für die Südafrikanerinnen und Südafrikaner von massiven Einschränkungen geprägt: Von wenigen Ausnahmen (wie dem Gang zum Supermarkt, zum Arzt oder zu Behörden) abgesehen, war es der Bevölkerung untersagt, ihren Wohnort zu verlassen. Der Verkauf von Alkohol und Zigaretten blieb monatelang verboten.[1] Dass die harten Maßnahmen in der Bevölkerung auf Akzeptanz stießen, ist auch der Kommunikationsstrategie des Präsidenten zu verdanken, der sich in seinen Reden immer wieder an die Bürger wandte, den Hintergrund seiner Entscheidungen erklärte und den Zusammenhalt der südafrikanischen Gemeinschaft beschwor. Ramaphosa verfügt mit Gesundheitsminister Zweli Mkhize in seinem Kabinett zudem über einen Mediziner, der die Pandemie und ihre möglichen Folgen einschätzen, und mit Salim Abdool Karim über einen international anerkannten Epidemiologen als Berater, der der Bevölkerung die möglichen Auswirkungen der Pandemie verständlich machen kann. Dies änderte jedoch nichts daran, dass sich die Ausbreitung des Virus nicht gänzlich aufhalten ließ: Nachdem erste Fälle in den dicht besiedelten Townships aufgetreten waren, stieg die Zahl der Neuinfizierten im Juli und August deutlich an, bevor sie ab Ende August wieder langsam sank. Bis Mitte Oktober hatten sich knapp 700 000 Menschen infiziert, über 18 000 sind im Zusammenhang mit dem Virus gestorben.
Nichtsdestotrotz gilt die schnelle und entschiedene Reaktion der südafrikanischen Regierung – anders als das Vorgehen anderer Schwellenländer wie Brasilien oder Indien[2] – als vorbildlich. Doch auch in Südafrika hat die Pandemie die große soziale Ungleichheit deutlich zu Tage gefördert. Besonders drastisch zeigt sich dies in den großen qualitativen Unterschieden im Gesundheitssystem. Während private Kliniken vergleichsweise gut ausgestattet sind, mangelt es in der öffentlichen Gesundheitsversorgung an vielen Stellen. Laut der südafrikanischen Statistikbehörde sind 45 der insgesamt 60 Millionen Einwohner auf das öffentliche Gesundheitssystem angewiesen. Massive Unterschiede in der Versorgung bestehen auch zwischen den urbanen Zentren und der Peripherie – das zeigen etwa Berichte über die desaströsen Zustände in Krankenhäusern der Provinz Eastern Cape, wo nun die Auswirkungen jahrelangen Missmanagements und der Korruption sichtbar werden. Viele Stationen sind chronisch unterbesetzt; während der Pandemie streikte ein Teil des Personals gegen die schlechte Ausstattung mit Schutzausrüstung, wohingegen andere sich aufgrund der schlechten Bedingungen mit dem Coronavirus infizierten. In einem Krankenhaus starben auf der Entbindungsstation – höchstwahrscheinlich aufgrund der pandemiebedingten Überlastung und des Personalmangels – mehrere Mütter und Säuglinge.[3] Was global gilt, dass die Ausbreitung der Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen die Kluft zwischen Arm und Reich weiter verstärken, zeigt sich auch in Südafrika: Drei Millionen Südafrikanerinnen und Südafrikaner hatten infolge des Lockdowns bereits bis Juli ihre Jobs verloren.[4] Das Bruttoinlandsprodukt des Landes schrumpfte im zweiten Quartal dieses Jahres um 51 Prozent im Vergleich zum Vorjahr; für das gesamte Jahr erwarten Experten einen Rückgang des BIP um sieben Prozent – und damit den stärksten Einschnitt seit Jahrzehnten.[5]
Ramaphosa unter Druck
Zudem kam es Medienberichten zufolge bei der Durchsetzung des Lockdowns zu teils gewaltsamen Übergriffen von Polizei und Militär auf die Bevölkerung. Dabei soll es mindestens elf Tote gegeben haben. Auch wenn Gerichte inzwischen zumindest einen Fall geahndet haben und Ramaphosa die Sicherheitskräfte dazu aufrief, sich an die Gesetze zu halten,[6] dürfte dies das ohnehin schwach ausgeprägte Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen noch weiter untergraben. Für Empörung sorgten im August auch Berichte über die Veruntreuung von Geldern, die zur Anschaffung medizinischer Schutzausrüstung vorgesehen waren – obwohl Ramaphosa noch im März harte Strafen für Korruption im Gesundheitssektor versprochen hatte. Seitdem steht der Präsident unter massivem Druck aus der Bevölkerung, der Opposition und teils aus den eigenen Reihen. Ende August beschloss der National Executive Council des ANC, das Führungsgremium der Partei, immerhin, alle unter Korruptionsverdacht stehenden Mitglieder bis zur Aufklärung der Vorwürfe von ihren Ämtern zu suspendieren.
Dabei hat Cyril Ramaphosa im Februar 2018 sein Amt mit einem großen Versprechen angetreten – dem auf einen Neuanfang für das Land. Vor allem mit der Misswirtschaft seines Vorgängers Jacob Zuma, der Südafrika von 2009 bis 2018 regierte, wollte Ramaphosa aufräumen und an die früheren Versprechen des ANC auf Schaffung sozial und ökonomisch gerechterer Verhältnisse anknüpfen. Doch immer mehr zeigt sich: Ein einfaches Zurück kann es für den ANC nicht geben, zu schwer wiegt das politische Erbe, das Zuma hinterlassen hat. Dieses besteht vor allem in einer weit verbreiteten Korruption und einem massiven Angriff auf die demokratischen Institutionen des Landes, die das Vertrauen der Bevölkerung in die politische Elite und in die Demokratie als solche schwer beschädigt haben.
In zwei Berichten hatte die damalige Ombudsfrau Südafrikas, Thuli Madonsela, bereits 2014 und 2016 aufgedeckt, dass Zuma nicht nur Staatsgelder zum Ausbau seiner privaten Villa genutzt hatte, sondern unter seiner Ägide auch politische Entscheidungen zugunsten von Firmen und anderen privaten Akteuren getroffen wurden, die im Gegenzug Geld an die politisch Verantwortlichen zahlten. Insbesondere die indische Unternehmerfamilie Gupta soll an weitreichenden politischen Entscheidungen beteiligt gewesen sein, bis hin zur Absetzung eines Ministers.[7]
Diese Vorgänge werden nun von einer Untersuchungskommission, der Judicial Commission of Inquiry into Allegations of State Capture, aufgearbeitet.[8] Anstatt ein Parteiausschlussverfahren gegen den Ex-Präsidenten anzustreben, entschied sich der regierende ANC damit für den deutlich langwierigeren juristischen Weg. Dennoch zeigt der Umgang mit dem Fall Jacob Zuma, dass zumindest einige demokratische Institutionen in Südafrika funktionsfähig sind. Neben den Berichten der Ombudsstelle waren es vor allem unabhängige südafrikanische Medien, Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftler, die Informationen über die weit verzweigten Beziehungsgeflechte der „Zuptas“, wie die Zuma- und die Gupta-Familien mittlerweile in Südafrika genannt werden, zusammentrugen. Sie lieferten wichtige Hinweise auf die Beteiligung weiterer Akteure aus dem ANC sowie aus dem privaten Sektor.
Demokratieverdruss in der Bevölkerung
Doch auch wenn Ramaphosa nahestehende ANC-Funktionäre die juristische Aufarbeitung verteidigen, befinden sich nach wie vor Personen in einflussreichen Positionen des ANC, die unter dem Verdacht stehen, an der „State Capture“ – der „Eroberung des Staates“, wie die systematische Korruption und die Aushöhlung des Staates auch bezeichnet werden – beteiligt gewesen zu sein. Für die ehemalige Befreiungsbewegung ist der politische Schaden enorm. Zwar war es der Partei bei der Parlamentswahl 2019 noch gelungen, 57,5 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich zu vereinen, womit sie weitaus weniger Stimmen verlor, als viele Analysten vorhergesagt hatten.[9] Doch der Druck auf Ramaphosa bleibt groß; der Korruptionsskandal hat das Vertrauen in die Demokratie nachhaltig beschädigt. Nur noch knapp über die Hälfte der Südafrikaner (54 Prozent) bezeichnen die Demokratie als jene Regierungsform, die sie anderen vorziehen; 44 Prozent halten Südafrika für eine Demokratie „mit großen Problemen“; und 62 Prozent wären sogar bereit, ihr Wahlrecht aufzugeben, wenn sie im Gegenzug Zugang zu einem Arbeitsplatz oder zu adäquatem Wohnraum bekämen.[10] In diesen Zahlen drückt sich auch die Frustration vieler Menschen darüber aus, dass es dem ANC nicht gelungen ist, die Ungerechtigkeiten aus der Apartheid zu beseitigen. Vielmehr dominiert das Gefühl, dass die ehemalige Befreiungsbewegung die Bevölkerung verraten habe und die politischen Eliten sich vorrangig selbst bereichern würden.
Zumas Erbe: Die Aushöhlung des Staates
Auch wenn die Korruption jetzt aufgearbeitet wird, kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Angriffe auf die südafrikanische Demokratie unter Zuma massiv waren. Der Ex-Präsident und sein Unterstützerkreis haben den südafrikanischen Institutionen schweren Schaden zugefügt – etwa indem sie gegen Beschaffungsregeln bei öffentlichen Aufträgen verstoßen oder Einfluss auf Personalentscheidungen in Strafverfolgungsbehörden genommen haben sollen, ebenso wie bei einer auf die Ermittlung von Fällen organisierter Kriminalität und Korruption spezialisierten Eliteeinheit der Polizei. Schwer wiegt auch der Verlust von Geldern, die veruntreut wurden und/oder deren Verbleib noch immer unklar ist. In fast allen halbstaatlichen Institutionen – bei der Fluggesellschaft South African Airways, dem Logistikunternehmen Transnet oder dem Energieversorger Eskom – hat sich das systematische Missmanagement massiv ausgewirkt und eine marode Infrastruktur hinterlassen.[11] Zudem ging Südafrika zwischen 2009 und 2018 wichtige Zeit verloren, um die noch aus der Apartheid resultierende strukturelle Ungleichheit im Land abzubauen.
Besonders gravierend sind die Folgen bei Eskom. Kurz nach seiner Amtsübernahme entließ Ramaphosa zwar einige ranghohe Manager des Konzerns. Doch die Folgen von jahrelangem Missmanagement und versäumten Reformen lassen sich nicht einfach überwinden. Weil es dem Konzern nicht gelingt, die Grundlast bereitzustellen, kommt es in Südafrika regelmäßig zu Stromausfällen. Mittlerweile verfolgt Eskom die Strategie des sogenannten Load Shedding: Dabei wird der Strom nach einem vorher festgelegten System in bestimmten Bereichen des Landes abgeschaltet, um die Grundlast zu reduzieren und in dieser Zeit andere Regionen besser versorgen zu können. So weit möglich kündigt Eskom die Ausfälle vorher an, häufig trifft es die Bevölkerung aber auch unvermittelt. Die Einschränkungen sind nicht nur für die privaten Haushalte massiv, die unsichere Energieversorgung hat auch Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung des Landes.
Für Unzufriedenheit sorgt zudem die große soziale Ungleichheit in Südafrika, sie gilt als eine der höchsten der Welt. Die Arbeitslosenquote lag in den Jahren vor 2020 regelmäßig zwischen 25 und 30 Prozent. Die junge südafrikanische Bevölkerung ist davon besonders betroffen: Ein Fünftel der etwa 60 Millionen Einwohner Südafrikas ist zwischen 15 und 34 Jahren alt, gut 40 Prozent von ihnen waren Anfang des Jahres arbeitslos und befanden sich auch nicht in Ausbildung.
Südafrikas Jugend: Chancenlos, aber politisch
Damit fehlt 8,2 Millionen jungen Menschen jegliche wirtschaftliche und damit auch soziale Perspektive[12] – die Folgen der Pandemie sind dabei noch nicht eingerechnet. Gelingt der Einstieg in den Arbeitsmarkt nicht, droht vielen die Langzeitarbeitslosigkeit. Eine ganze Generation, die politisch frei wählen kann, steht damit vor der wirtschaftlichen Chancenlosigkeit. Zugleich hat sich zumindest ein Teil dieser Generation unter Zuma politisiert: Kämpften die Studierenden zu dessen Amtszeit noch gegen die Erhöhung der Studiengebühren, für eine Dekolonisierung der Lehre und der öffentlichen Einrichtungen sowie für größere Chancengleichheit, engagiert sich ein Teil dieser Bewegung mittlerweile in den etablierten Parteien – neben dem ANC auch in den beiden Oppositionsparteien Democratic Alliance und den radikalen Economic Freedom Fighters – oder in zivilgesellschaftlichen Organisationen.[13]
Vieles deutet darauf hin, dass unter Zuma eine politisierte Generation herangewachsen ist, die sich mit dem ANC nicht mehr derart eng verbunden fühlt wie ihre Vorgänger. Entscheidungen von Nelson Mandela werden in dieser Generation nicht mehr als sakrosankt betrachtet, sondern mitunter sogar offen kritisiert.[14]
Dies ist ein wichtiger demokratischer Prozess, der mittelfristig auch das Potential hat, den Wettbewerb zwischen den politischen Parteien zu erhöhen. Bislang ist es keiner der Oppositionsparteien gelungen, das Monopol des ANC zu brechen. Die Democratic Alliance kam bei den letzten Wahlen als zweistärkste Kraft auf fast 21 Prozent der Stimmen. Die Unzufriedenheit mit den politischen Eliten hat sich auf die Straße verlagert. Schon seit 2004 erhöhte sich die Zahl der politischen Proteste im Land stark. Verschiedene soziale Bewegungen sind entstanden, die sich größtenteils als „Service Delivery Protests“ versammeln und sich für die Versorgung mit und den Zugang zu öffentlicher Infrastruktur einsetzen. Proteste in benachteiligten Gebieten eskalieren dabei immer wieder auch gewaltsam: Regelmäßig werden Sachbeschädigung oder Vandalismus als Instrumente genutzt, um auf Missstände aufmerksam zu machen.[15]
Südafrika als multilateraler Partner
Angesichts der zunehmenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung steht Ramaphosa unter Druck. Seine Reformagenda kommt indes nur langsam voran, auch weil Zumas Verbündete weiterhin an zentralen Schaltstellen des ANC oder in Ministerien sitzen und Ramaphosas Vorhaben dort blockieren können. Dabei steht Südafrika nicht nur innenpolitisch vor großen Herausforderungen, auch außenpolitisch ist das Land zunehmend gefragt. Hier gibt sich Ramaphosa ebenfalls als Erneuerer: Hatte Jacob Zuma vorrangig auf die Kooperation mit den anderen BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) gesetzt, positioniert Ramaphosa Südafrika international als starken, aber neutralen Akteur, der sich zu Demokratie, Menschenrechten und Multilateralismus bekennt. Damit sucht er die Beziehungen speziell zu „westlichen“ Partnern zu verbessern. Nicht ohne Erfolg, wie die Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Südafrika im Februar dieses Jahres – die erste seit 2010 – gezeigt hat. Doch nicht immer verläuft die Zusammenarbeit problemlos. Derzeit sitzen beide Staaten als nichtständige Mitglieder im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, wo Südafrika aufgrund seines Selbstverständnisses als „neutraler Akteur“ mitunter auch Resolutionen von Russland und China unterstützt – zum Missfallen der Bundesregierung.[16]
Eine Möglichkeit der Kooperation hätte sich auch bei der gemeinsamen Austragung des ursprünglich für Ende Oktober geplanten EU-Afrika-Gipfels ergeben. Da die südafrikanische Regierung seit Februar den Vorsitz der Afrikanischen Union (AU) innehat, hätte sie diesen gemeinsam mit der Bundesregierung als EU-Ratspräsidentin organisieren müssen. Doch aufgrund der Corona-Pandemie wurde der Gipfel verschoben. Bereits im Dezember soll ein kleineres Treffen zwischen EU und AU stattfinden. Größere Entscheidungen wurden aber auf 2021 vertagt und fallen damit nicht mehr unter die südafrikanische und deutsche Präsidentschaft. Dabei galt das Jahr 2020 noch im Januar aus Sicht der EU als „entscheidendes Jahr“ der europäisch-afrikanischen Beziehungen. Im März legten Kommission und der Hohe Vertreter für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Josep Borrell, den Entwurf für eine EU-Afrika-Strategie vor, die auch den Rahmen für den Gipfel setzen sollte. Fünf Themen stehen darin im Fokus: nachhaltige Wirtschaft, digitale Transformation, nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung, Frieden und Regierungsführung sowie Mobilität und Migration.[17] Doch mittlerweile bestimmen die Pandemie und der Umgang mit ihren Folgen die Agenda.
Das gilt auch für die AU: Ramaphosa hatte sich für die einjährige Präsidentschaft eigentlich ambitionierte Ziele gesetzt, nicht zuletzt, um Südafrikas Ansehen auf dem Kontinent wieder zu verbessern. Auf seiner Agenda standen die Förderung eines inklusiven Wirtschaftswachstums und nachhaltiger Entwicklung, insbesondere durch die Stärkung der afrikanischen Freihandelszone; die Förderung von Frieden; die institutionelle Weiterentwicklung der AU sowie die Stärkung der Rolle von Frauen in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Doch mit dem Ausbruch der Pandemie verlagerte sich der Fokus zunehmend darauf, die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Zwar verfügt die AU mit den Africa Centres for Disease Control and Prevention (Africa CDC) bereits seit Längerem über eine Institution, die die afrikanischen Staaten bei ihrem Umgang mit Pandemien unterstützt – etwa, indem sie Orientierungshilfen zu deren Bekämpfung herausgibt. Ein zentrales Problem für fast alle afrikanischen Staaten bestand allerdings in der schlechten Versorgung mit medizinischer Schutzausrüstung sowie in der mangelnden Personalausstattung im Gesundheitswesen.
Als die Pandemie im März auf dem afrikanischen Kontinent ausbrach, war die EU vor allem mit sich selbst beschäftigt. China hingegen inszenierte sich bei der Übergabe dringend benötigter medizinischer Schutzausrüstung öffentlichkeitswirksam als großzügiger Helfer, während aus Europa vorrangig bilaterale Unterstützung kam. Doch obwohl dies in Afrika das Vertrauen in die EU zunächst geschwächt hat, steht auch China zunehmend in der Kritik. Afrikanische Staaten kritisieren etwa die chinesische Verschuldungspolitik,[18] aber auch den intransparenten Umgang Chinas mit der Pandemie. Dass die EU Mitte des Jahres Unterstützung beim Schuldenmanagement und Entschuldung in Aussicht stellte, nachdem viele Staaten infolge der Pandemie noch tiefer in Schuldenkrisen geraten waren,[19] werteten Vertreter der AU als positives Signal. Sie hoffen vor dem Hintergrund der kommenden Herausforderungen vor allem auf eine Unterstützung afrikanischer Strategien.
Fest steht bei all dem schon jetzt: Die Folgen der Pandemie werden die europäisch-afrikanische Zusammenarbeit dauerhaft prägen, auch über die Bewältigung der Gesundheitskrise hinaus. Mittel- und langfristig werden die Staaten der AU und wird auch Südafrika vor allem mit den sozioökonomischen Folgen der Coronakrise zu kämpfen haben. Wie gravierend diese sein werden, hängt auch davon ab, wie schnell ein wirksamer Impfstoff auch in den Ländern des globalen Südens verfügbar sein wird. Südafrika wird, auch wenn es im Februar den Vorsitz der AU an die Demokratische Republik Kongo (DRK) abgibt, einer der wichtigsten Partner für die EU auf dem afrikanischen Kontinent bleiben. Sowohl Deutschland als auch die EU werden in Zukunft handlungsfähige Gegenüber brauchen, die multilaterale Kooperation befürworten und kooperationsbereit sind. Auch daher sollten sie ein Interesse an der Stabilität Südafrikas haben und die – wenn auch langsam voranschreitende – Reformagenda Ramaphosas weiterhin unterstützen.
[1] South African Government, SA coronavirus news and information, www.sacoronavirus.co.za.
[2] Vgl. Annette von Schönfeld, Corona unter Bolsonaro: Gesundheit oder Hunger, in: „Blätter“, 7/2020, S. 25-28 sowie Ellen Ehmke, Indien: Der große Exodus, in „Blätter“, 5/2020, S. 76-79.
[3] Andrew Harding, Coronavirus in South Africa: Inside Port Elisabeth’s ‚hospitals of horrors‘, www.bbc.com, 14.7.2020.
[4] Yolisa Tswanya, Lockdown cost 3 million jobs, causing widespread hunger, www.iol.co.za, 16.7.2020.
[5] Joseph Cotterill, South Africa’s economy suffers worst quarterly slide in decades, www.ft.com, 8.9.2020.
[6] Mark Heywood, Human Rights, the Rule of Law, and Covid19 in South Africa, https://blog.petrieflom.law.harvard.edu, 4.6.2020.
[7] Vgl. Secure in Comfort. Report of the Public Protector, März 2014, https://dc.sourceafrica.net sowie State of Capture. A Report of the Public Protector, www.sahistory.org.za, 14.10.2016.
[8] Vgl. die Website der Kommission: www.sastatecapture.org.za.
[9] Vgl. die Website der südafrikanischen Wahlkommission, www.elections.org.za, 5.9.2020.
[10] Afrobarometer: Summary of Results. Afrobarometer Round 7, Survey in South Africa, 2018.
[11] Vgl. auch: Ivor Chipkin und Mark Swilling, Shadow State. The Politics of State Capture, Johannesburg 2018.
[12] Statistics South Africa, Quarterly Labour Force Survery Q4, 2019.
[13] Vgl. Julia Schweers, Alte Macht, junge Revolte: Afrikas dritte Protestwelle, in: „Blätter“, 1/2020,
S. 59-64.
[14] Vgl. Susan Booysen, Fees Must Fall: Student revolt, decolonization and governance in South Africa, Johannesburg 2016.
[15] Vgl. Peter Alexander, Carin Runciman, Trevor Ngwane, Boikanyo Moloto, Kgothatso Mokgele und Nicole von Staden, Frequeny and turmoil. South Africa’s community protests 2005-2017, in: „SA Quarterly“, 1/2018.
[16] Vgl. Richard Calland und Melanie Müller, How Germany and South Africa can help the world. www.mg.co.za, 30.1.2020.
[17] EU Kommission, EU-Afrika-Strategie: Die EU setzt auf eine stärkere Partnerschaft, 8.3.2020.
[18] Vgl. Jonas Gerding, Afrika in der Schuldenfalle?, in: „Blätter“, 3/2020, S. 107-114.
[19] Vgl. Kate Aronoff, Corona, Klima, Schulden: Die dreifache Krise des globalen Südens, in: „Blätter“, 6/2020, S. 51-56.