Ausgabe Dezember 2021

»Kitschig, larmoyant und voller Klischees«

Wie schreibende Frauen zum Schweigen gebracht werden

Eine Leserin auf der Frankfurter Buchmesse 2021, 21.10.2021 (IMAGO / STAR-MEDIA)

Bild: Eine Leserin auf der Frankfurter Buchmesse 2021, 21.10.2021 (IMAGO / STAR-MEDIA)

Den Begriff „Frauenliteratur“ mag eigentlich niemand. Aber benutzt wird er ständig, wenn über Bücher geredet wird – im Buchhandel, in den Medien und im Privaten. Er scheint also irgendwie notwendig oder wichtig zu sein. Dabei muss das Etikett für ganz Unterschiedliches herhalten. Mal sind Unterhaltungsromane gemeint, mal Romane, als deren Zielgruppe man hauptsächlich Frauen ansieht. Es können Romane über die Beziehung zwischen den Geschlechtern gemeint sein, und in den 1970er Jahren meinte der Begriff außerdem feministische Propagandaromane. Margaret Atwood wurde bei früheren Lesungen so oft gefragt, ob sie „Frauenromane“ schreibe, dass sie irgendwann zurückfragte, was damit eigentlich gemeint sei. „Ist ‚Krieg und Frieden‘ ein Frauenroman?“, fragt sie in einem Essay zum Thema. „Oder ‚Vom Winde verweht‘, obwohl darin auch ein Krieg vorkommt? Und ‚Middlemarch‘, obwohl darin noch die Conditio humana vorkommt? Könnte es sein“, vermutet sie schließlich, „dass Frauen furchtlos Bücher lesen, die unter Umständen als ‚Männerromane‘ gelten könnten, während Männer immer noch glauben, ihnen fiele etwas ab, wenn sie ein paar Sekunden zu lange auf bestimmte, von Frauen sicher hinterlistig miteinander kombinierte Wörter blicken?“

Bezeichnend ist, dass es das Äquivalent „Männerliteratur“ gar nicht gibt. Wobei: Entsprechende Literatur gibt es wohl, aber nicht den Begriff.

Dezember 2021

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Druckausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Maskulin und libertär

von Stefan Matern, Sascha Ruppert-Karakas

Echte Männer sind rechts“ – das auf Social Media viral gegangene Video des AfD-Politikers Maximilian Krah ist mehr als nur ein lapidares Bekenntnis zu traditionellen Familien- und Geschlechterrollen. Es ist vielmehr der strategische Versuch, junge Menschen niedrigschwellig an AfD-Positionen heranzuführen. Im provokanten Politainmentstil bespielt die Partei auf den digitalen Plattformen unpolitisch anmutende Themen rund um die Probleme und persönlichen Unsicherheiten junger Männer.