Ausgabe Juni 2023

Spanien 1936 bis Ukraine 2022: Das Zaudern der Demokratien

Poster aus der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs, 1936-1939. v.l.n.r.: (IMAGO / United Archives International), (IMAGO / Photo12), (IMAGO / UIG), Collage: Blätter für deutsche und internationale Politik, 23.5.2023

Bild: Poster aus der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs, 1936-1939. v.l.n.r.: (IMAGO / United Archives International), (IMAGO / Photo12), (IMAGO / UIG), Collage: Blätter für deutsche und internationale Politik, 23.5.2023

Seit dem 24. Februar 2022 schallte es aus Politik wie Medien: Zäsur! Zeitenwende! Epochenbruch! Politisch ist das durchaus verständlich – will man doch die Gesellschaften des Westens hinter sich versammeln angesichts Moskaus Feldzug gegen Kiew. Auch medial ergibt es Sinn, schließlich unterliegt die Medienwelt immer stärker den Gesetzmäßigkeiten der Aufmerksamkeitsökonomie, die sie selbst mitgeschaffen hat. Doch welche tiefere Erkenntnis kann man aus dem Denken in Zeitenwenden und Zäsuren ziehen? Zumal mit Blick auf Fragen von Krieg und Frieden, die so alt sind wie die Menschheitsgeschichte selbst?

Der bisherige Verlauf der russischen Aggression und die Reaktion des Westens darauf zeigen, dass es erkenntnisreicher sein kann, in historischen Konjunkturen zu denken. Denn Geschichte wiederholt sich zwar nicht im operativen Detail, aber im grundsätzlichen Charakter des politisch-militärischen Agierens. So wird nach einem Jahr russischer Invasion der Ukraine immer stärker sichtbar, wie sehr sich die westlichen Demokratien im Prinzip treu geblieben sind, wenn es in Europa zu einem Krieg kommt, der nicht direkt gegen sie gerichtet ist, sondern einen Nachbarn trifft. Dann zeigen sie ein um das andere Mal ein Verhalten, das sich ähnelt, das an frühere Konflikte erinnert. Auch wenn sich dabei Rollen vertauschen können.

»Blätter«-Ausgabe 6/2023

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In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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