
Bild: Regina Scheer, Bittere Brunnen. Hertha Gordon-Walcher und der Traum von der Revolution, Penguin Random House Verlagsgruppe
Die Berliner Theater- und Kulturwissenschaftlerin Regina Scheer hat mit „Bittere Brunnen“ ein bemerkenswertes, von der Kritik zu Recht gefeiertes Buch vorgelegt. Es ist die Biografie von Hertha Gordon-Walcher, einer weithin unbeachtet gebliebenen, aber eminent wichtigen Kommunistin, deren sozialer, aber auch individueller Emanzipationskampf eng mit dem Jahrhundert der Katastrophen verwoben ist. Bereits die Skizzierung wichtiger Etappen ihrer Biografie veranschaulicht den starken Willen Gordons, aus tradierten Strukturen auszubrechen, um ihren Traum von Emanzipation zu verwirklichen: Sozialisiert in einer proletarischen jüdischen Großfamilie, deren hart arbeitende Eltern fünf Mädchen ernähren mussten, schien Hertha Gordons Weg vorgezeichnet: vier Jahre Volksschule, Hilfsarbeit in einem Hutgeschäft, Heirat, dann Küche, Kinder und Synagoge. Doch gegen den Willen ihrer warmherzigen Eltern setzte die 1894 im damaligen Königsberg geborene Hertha durch, ab 1912 auf einer jüdischen Mädchenschule in London, die von Wohltätigkeitsvereinen finanziert wurde, Schreibmaschine und Stenografie zu erlernen. In London wurde Hertha Gordon politisiert. Interessiert verfolgte sie den auch in der britisch-jüdischen Community umstrittenen Kampf der Suffragetten für das Frauenwahlrecht.
Von 1914 bis 1917 engagierte sich Gordon in der linksradikalen Antikriegsopposition.