
Bild: Cynthia Fleury, Hier liegt Bitterkeit begraben. Über Ressentiments und ihre Heilung, Suhrkamp Verlag
Was haben die Mutter, das Bittere und das Meer gemeinsam? Im Deutschen nicht viel, im Französischen schon: „la mère“, die Mutter, „l’amer“, das Bittere, und „la mer“, das Meer. Für Cynthia Fleury ist das nicht nur ein Wortspiel, sondern es beschreibt nichts weniger als das Drama des menschlichen Daseins. Mit der Geburt erlebt das Kind die Trennung von der symbiotischen Einheit mit seiner Mutter: eine bittere Erfahrung, die durch nichts wieder rückgängig zu machen und damit kaum zu ertragen ist. Wäre da nicht das Meer, Sinnbild für Weite und Offenheit, die es dem Menschen ermöglicht, sich selbst zu entwerfen. Individuation durch Sublimierung, also künstlerisch-schöpferische Umwandlung der eigenen Triebenergie lautet das Ideal, das das ganze Buch von Cynthia Fleury durchzieht: „Die Sublimierung ist die Fähigkeit, mit den Trieben etwas anderes zu machen als eine regressive Triebbefriedigung, sie auf ein Jenseits von sich selbst auszurichten, die kreative Energie, die sie durchströmt, sinnvoll zu nutzen.“
Diese psychoanalytische Sprache in „Hier liegt Bitterkeit begraben“ ist manchmal schwer zu verstehen – und zu ertragen –, aber es lohnt, das Buch nicht zur Seite zu legen. Denn Fleurys scharfsinnige Überlegungen bieten tiefe Einblicke in das Wesen und die Gefahr von Verbitterung und Ressentiments.