Zum Spannungsverhältnis von Geopolitik und Unabhängigkeit

Bild: Neukaledonien im Ausnahmezustand: Straßenblockade in Nouméa, 26.5.2024 ( Gill Chabaud / ABACAPRESSS / IMAGO)
Die dramatischen Bilder vom Mai 2024 glichen jenen von vor vierzig Jahren: Damals schon kämpfte in Neukaledonien – der kleinen, im südwestlichen Pazifik liegenden Inselgruppe – eine indigene Unabhängigkeitsbewegung mit Straßensperren und Blockaden gegen eigenmächtige Entscheidungen des französischen Zentralstaats. Zugleich verübten ultrarechte Kolonisten Anschläge auf Einrichtungen und Personen der Unabhängigkeitsbewegung.[1] Die Unruhen kamen zu einem blutigen Höhepunkt, als Aufständische Gendarmen als Geiseln nahmen und in eine Grotte brachten, die anschließend von eingeflogenen französischen Spezialkommandos gestürmt wurde, wobei fast alle Geiselnehmer ihr Leben verloren.[2] Über 70 Menschen starben zwischen 1984 bis 1988. Erst mit dem Matignon-Abkommen von 1988 wurde die Lage beruhigt und ein Fahrplan für einen Prozess festgelegt, an dessen Ende die Unabhängigkeit des Landes nicht ausgeschlossen war, ganz sicher aber dessen Dekolonisierung stehen sollte. Diese Ziele wurden zehn Jahre später, im Vertrag von Nouméa 1998, bekräftigt, das angepeilte Referendum dann aber noch einmal um mindestens zehn Jahre verschoben. Seitdem herrschte eine fragile Ruhe in Neukaledonien. Die drei Referenden über die Unabhängigkeit zwischen 2018 und 2021 brachten kein eindeutiges Votum. Sie zeigten aber, dass die Entscheidung knapp ist, nur 53 Prozent stimmten im zweiten Referendum gegen die Unabhängigkeit.