Ausgabe Februar 1991

Die Eskalation der Nationalitätenkonflikte in der Sowjetunion

Ein Überblick über die Entwicklung im Jahr 1990

In der Nacht zum Sonntag, dem 13. Januar 1991, haben sowjetische Truppen die litauische Rundfunk- und Fernsehzentrale, zu deren Schutz sich eine Menschenmenge versammelt hatte, mit Gewalt erstürmt. Panzer überrollten Zivilisten, andere wurden erschossen oder erschlagen. Nach den Angaben des litauischen Gesundheitsministers kamen 13 Menschen zu Tode, der sowjetische Innenminister Pugo sprach von 10 Toten und 130 Verletzten. ("Die Welt", 14.1.1991) Der Konflikt zwischen den Regierungen der baltischen Republiken und der Moskauer Unionsregierung, die deren Unabhängigkeitserklärungen nicht akzeptiert (insbesondere nicht die Rechtsposition, die Zugehörigkeit Litauens, Lettlands und Estlands zur Sowjetunion sei 1939/40 im Ergebnis des Hitler-StalinPaktes erzwungen und damit von Anfang an nichtig), war bisher unblutig verlaufen.

Bei aller Schärfe hatte sich das Verhalten der Konfliktparteien in dieser Region damit positiv von der Gewaltsamkeit der Nationalitätenkonflikte in anderen Republiken, besonders im Süden der Union, abgehoben. Daß es vor dem Hintergrund der gespannten Weltlage, drei Tage vor dem Ablauf des Golf-Ultimatums, zu dem blutigen Militäreinsatz in Litauen kommen konnte, wirkt wie eine makabre Illustration der Warnungen Eduard Schewardnadses (vgl. den Dokumententeil dieses Heftes), der am 20.

Februar 1991

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Euphorie und Ernüchterung: Bangladesch nach dem Aufstand

von Natalie Mayroth, Dil Afrose Jahan

Im September fanden an der Universität Dhaka, einer der wichtigsten Hochschulen Bangladeschs, Wahlen zur Studentenvereinigung statt. Manche sehen sie als Testlauf für die nationalen Wahlen. Daher ist es ein Warnsignal, dass dort ausgerechnet der Studentenflügel der islamistischen Jamaat-e-Islami gewann.

Koloniale Nachwehen: Der Kampf um Kaschmir

von Amadeus Marzai

Ein brutaler Terroranschlag riss am Nachmittag des 22. April das idyllische Baisaran-Gebirgstal im von Indien kontrollierten Teil Kaschmirs aus seiner Ruhe. Es war der Beginn einer rapiden Eskalation im seit jeher angespannten indisch-pakistanischen Verhältnis und könnte sogar zum Ausgangspunkt eines größeren Krieges zwischen den beiden Nuklearmächten werden.

Südkorea: Vom Putschversuch zur Richtungswahl

von Fabian Kretschmer

Es ist mehr als nur ein Klischee, dass die südkoreanische Demokratie zu den lebhaftesten in ganz Asien zählt. Seit der Wahlkampf Anfang Mai offiziell eingeläutet wurde, sind die gläsernen Fassaden der Bürotürme in der Hauptstadt Seoul mit riesigen Plakaten der Spitzenkandidaten zugepflastert.