Ausgabe Oktober 1999

Westerwelles Milieu

Eigentlich müßte die FDP längst die Partei der ersten Wahl sein. Seit Jahren nun schon beklagen Kommentatoren in Zeitungen und Fernsehmagazinen die Verkrustung der Gesellschaft, mahnen wieder und wieder die grundlegende Reform der veralteten Strukturen an. Ebenso wie die Freien Demokraten. Doch hat es der Partei nichts genutzt. Die Bundesbürger scharten sich partout nicht hinter die Avantgarde der neoliberalen Reform. Das ist überraschend genug, denn gesellschaftlich und politisch läuft seit Jahren im Grunde alles für die Liberalen. Die großkollektiven Unterstützungsorganisationen für die Volksparteien, Gewerkschaften und Kirchen, erodieren kräftig. Die bürgerliche Mitte dagegen wird breiter. Die Bundesrepublikaner sind in den letzten zwei Jahrzehnten gebildeter geworden, gewiß auch toleranter, eben liberaler. Die etatistischen Reformansätze der 70er Jahre scheinen erledigt, die neoliberalen Modernisierungskonzepte beherrschen den Geist der Leitartikel. Die sozialen Grundlagen also sind da, die politische Stimmung existiert ebenfalls - für das Projekt Westerwelle.

Der Generalsekretär möchte seiner Partei ein stabiles liberales Milieu erschließen. Er will weg von der labilen Funktionspartei Genschers. Er will eine feste Stammwählerschaft. Liberale taten sich immer schon schwer, zu einem eigenen Milieu zusammenfinden.

Oktober 1999

Sie haben etwa 8% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 92% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema