Die amerikanische Wirtschaftspolitik gleicht derzeit einem Ritt über den Bodensee. Die letzte Rezession 1990/91 scheint ferne Vergangenheit. Seit 1992 werden positive Wachstumsraten verzeichnet, die 1998/99 sogar die 4%-Marke jährlich überschritten. Auch für das Jahr 2000 wird eine Fortsetzung dieses Trends prognostiziert, obwohl die jüngsten Daten einige Verunsicherung ausgelöst haben. Bei Vergleichen mit dem Wachstum in Europa muss zwar in Rechnung gestellt werden, dass die Bevölkerung der USA um jährlich mehr als 1% zunimmt - trotzdem überrascht die Dauer des Aufschwungs. Mäßige Inflationsraten, sinkende Steuerbelastung und ein ausgeglichener, zuletzt sogar überschüssiger Staatshaushalt bei geringen Lohnzuwächsen und niedriger Arbeitslosigkeit wecken den Neid und den Nachahmungstrieb anderer Industriestaaten. Die soziale Schlagseite des amerikanischen "Vorbilds" ist zwar bekannt, kann aber die Anhänger des Marktradikalismus in ihrer Begeisterung für das amerikanische Modell nicht irritieren. Dagegen wirkt die chronisch und zunehmend defizitäre Leistungsbilanz der USA schon störender. Denn ein solches Defizit gilt den Vertretern des Washington Consensus gemeinhin als Indikator für schlechte Politik, welche mit Recht von den Märkten negativ sanktioniert werde.
In der Januar-Ausgabe skizziert der Journalist David Brooks, wie die so dringend nötige Massenbewegung gegen den Trumpismus entstehen könnte. Der Politikwissenschaftler Philipp Lepenies erörtert, ob die Demokratie in den USA in ihrem 250. Jubiläumsjahr noch gesichert ist – und wie sie in Deutschland geschützt werden kann. Der Politikwissenschaftler Sven Altenburger beleuchtet die aktuelle Debatte um die Wehrpflicht – und deren bürgerlich-demokratische Grundlagen. Der Sinologe Lucas Brang analysiert Pekings neue Friedensdiplomatie und erörtert, welche Antwort Europa darauf finden sollte. Die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres erläutern, warum die Abhängigkeit von Öl und Gas Europas Sicherheit gefährdet und wie wir ihr entkommen. Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski erklärt, wie wir im Umgang mit Künstlicher Intelligenz unsere Fähigkeit zum kritischen Denken bewahren können. Und die Soziologin Judith Kohlenberger plädiert für eine »Politik der Empathie« – als ein Schlüssel zur Bekämpfung autoritärer, illiberaler Tendenzen in unserer Gesellschaft.