Ausgabe Juli 2000

Das amerikanische Leistungsbilanzdefizit

Die amerikanische Wirtschaftspolitik gleicht derzeit einem Ritt über den Bodensee. Die letzte Rezession 1990/91 scheint ferne Vergangenheit. Seit 1992 werden positive Wachstumsraten verzeichnet, die 1998/99 sogar die 4%-Marke jährlich überschritten. Auch für das Jahr 2000 wird eine Fortsetzung dieses Trends prognostiziert, obwohl die jüngsten Daten einige Verunsicherung ausgelöst haben. Bei Vergleichen mit dem Wachstum in Europa muss zwar in Rechnung gestellt werden, dass die Bevölkerung der USA um jährlich mehr als 1% zunimmt - trotzdem überrascht die Dauer des Aufschwungs. Mäßige Inflationsraten, sinkende Steuerbelastung und ein ausgeglichener, zuletzt sogar überschüssiger Staatshaushalt bei geringen Lohnzuwächsen und niedriger Arbeitslosigkeit wecken den Neid und den Nachahmungstrieb anderer Industriestaaten. Die soziale Schlagseite des amerikanischen "Vorbilds" ist zwar bekannt, kann aber die Anhänger des Marktradikalismus in ihrer Begeisterung für das amerikanische Modell nicht irritieren. Dagegen wirkt die chronisch und zunehmend defizitäre Leistungsbilanz der USA schon störender. Denn ein solches Defizit gilt den Vertretern des Washington Consensus gemeinhin als Indikator für schlechte Politik, welche mit Recht von den Märkten negativ sanktioniert werde.

Sie haben etwa 12% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 88% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Dividenden statt Investitionen

von Aurora Li, Michael Peters, Uwe Zöllner

Ob bei der Wasserversorgung, in der Pflege oder im Gesundheitssektor: Bereits seit einigen Jahrzehnten kommt es selbst in systemrelevanten Bereichen immer wieder zu Privatisierungen – bei denen die kurzfristige Gewinnmaximierung zugunsten der Investoren oftmals das Geschäft bestimmt.

Von der Silicon Valley Bank zur Credit Suisse: Finanzmarktkrise 2.0?

von Rudolf Hickel

Fünfzehn Jahre nach der Finanzmarktkrise, die im September 2008 durch die Lehman-Pleite ausgelöst wurde und die Weltwirtschaft beinahe zum Absturz brachte, drohen erneut massive Turbulenzen im Kasinokapitalismus. In den USA erschütterte der Crash eines zuvor ziemlich unbekannten regionalen Spezialinstituts, der Silicon Valley Bank (SVB), die Finanzmärkte.