Die vergangenen 13 Jahre haben uns zu Zeugen massiver Symbiosen auf den Balkan gemacht, schlimmer Variationen auf "Eine Hand wäscht die andere" oder "Du brauchst mich für deine Dreckarbeit und ich dich für meine, arbeiten wir also zusammen" - eine Art wechselseitig vorteilhafter Übereinkünfte, Böses zu tun. Diese Symbiosen begannen großenteils mit Slobodan Milosevic, und so endeten sie auch mit seinem Sturz, den der Aufstand der Opposition zugunsten des neugewählten Präsidenten Vojislav Kostunica in diesem Herbst 2000 bewirkte. Erinnern wir uns der späten 80er Jahre, als Milosevic seine Version eines Serbiens betrieb, das als der Motor eines neuerlich zentralisierten Jugoslawiens fungieren sollte. Dies löste von Anfang an Widerstand aus, nicht nur bei den Kosovo-Albanern, sondern auch bei Kroaten und Slowenen. Alle drei Nationalitäten ließen sich von Milosevics nationalistischem Programm anstecken und gingen ihrerseits auf Unabhängigkeitskurs: in Richtung auf eine Republik Kosovo, eine kroatische und eine slowenische Republik. Ohne Milosevic hätten ihre Ambitionen nicht gedeihen können.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.