Ausgabe September 2005

Kreuzzug gegen Terror

Politik mit der Apokalypse

Das gegenwärtige weltpolitische Szenario wird, völlig unerwartet für die Europäer, sowohl im politischen Islam wie im hegemonialen Amerika von apokalyptischen Weltdeutungen bestimmt. Auf der einen Seite sieht sich der Westen existenziell bedroht durch einen apokalyptischen Terrorismus islamischer Herkunft. Die Attentäter des 11. September und ihre Nachfolger, von Madrid bis London, sahen sich als Märtyrer ihres Glaubens und Vollzieher des göttlichen Strafgerichts am "großen Satan", der westlich-amerikanischen "Welt der Gottlosen". Religionswissenschaftler wie Hans G. Kippenberg vertreten die Ansicht, dass wir es hier mit einer noch wenig erforschten Form islamischer Apokalyptik zu tun haben, die sich anmaßt, das Böse auszurotten.1

Gleiches trifft jedoch auf ihre westlichen Gegner zu: Mit der Konversion George W. Bushs zum wiedergeborenen Christen mit dem Weltbild der Apokalyptik erleben wir etwas ebenso Neues, in der amerikanischen Politik bisher noch nicht Dagewesenes. Zwar hatte schon Ronald Reagan seinen Antikommunismus endzeitlich-chiliastisch begründet. Die Sowjetunion galt ihm als evil empire, als "Reich des Bösen". Unter George W. Bush wurde aus Reagans "Reich des Bösen" dann die "Achse des Bösen".

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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