Ausgabe April 2008

Die Dialektik der Säkularisierung

Der Bischof von Canterbury empfiehlt dem britischen Gesetzgeber, für die einheimischen Muslime Teile des Familienrechts der Scharia zu übernehmen; Präsident Sarkozy schickt 4000 zusätzliche Polizisten in die berüchtigten, von Krawallen algerischer Jugendlicher heimgesuchten Banlieues von Paris; ein Brand in Ludwigshafen, bei dem neun Türken, darunter vier Kinder, umkommen, weckt in den türkischen Medien trotz der ungeklärten Brandursache tiefen Argwohn und wüste Empörung; das veranlasst den türkischen Ministerpräsidenten bei seiner Visite in Deutschland zu einem Besuch der Brandstelle, wobei sein anschließender wenig hilfreicher Auftritt in Köln1 wiederum in der deutschen Presse ein schrilles Echo auslöst. Alle diese Nachrichten stammen von nur einem Wochenende dieses Jahres. Sie dokumentieren, wie sehr der Zusammenhalt innerhalb vermeintlich säkularer Gesellschaften gefährdet ist – und wie drängend sich die Frage stellt, ob und in welchem Sinne wir es inzwischen mit einer postsäkularen Gesellschaft zu tun haben.

Um von einer „postsäkularen“ Gesellschaft sprechen zu können, muss diese sich zuvor in einem „säkularen“ Zustand befunden haben.

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Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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