Ausgabe März 2017

National versus global

Das Dilemma der europäischen Sozialdemokratie

Die SPD erlebt derzeit einen lange nicht mehr gekannten Höhenflug. Mit Martin Schulz als ihrem Spitzenkandidaten erscheint der Ausgang der Bundestagswahl plötzlich wieder offen. Von solchen Aussichten können ihre  Genossen in anderen europäischen Ländern nur träumen. Die Sozialdemokratie ist auf dem Kontinent heute so schwach wie wohl noch nie seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Und selbst wenn die Euphorie über Schulz dies momentan kaschiert, gilt dies grundsätzlich auch für die SPD.

Diese triste Lage fällt ausgerechnet in eine Zeit entscheidender Weichenstellungen für Europa. In Washington amtiert seit Januar ein Präsident, dessen Nationalismus auch eine anti-europäische Stoßrichtung hat und dessen Berater enge Kontakte zu rechten Kräften in Europa unterhalten.[1] Auch deshalb verspüren erklärte Feinde der EU wie Marine Le Pen, Geert Wilders und Matteo Salvini derzeit beträchtlichen Rückenwind. Das europäische Superwahljahr – mit Urnengängen in den Niederlanden, Frankreich, Italien und der Bundesrepublik – soll ihnen den endgültigen Durchbruch bescheren. Vom Ausgang dieser Wahlen hängt daher entscheidend ab, ob die europäische Zusammenarbeit weiterhin eine Chance haben wird. Die Sozialdemokratie jedoch wird dabei keine große Rolle spielen: Außer in Italien wäre ihr Wahlsieg überall eine Überraschung.

Sie haben etwa 5% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 95% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Warnungen aus Weimar

von Daniel Ziblatt

Autokraten sind vielerorts auf dem Vormarsch. Ihre Machtübernahme ist aber keineswegs zwangsläufig. Gerade der Blick auf die Weimarer Republik zeigt: Oft ist es das taktische Kalkül der alten Eliten, das die Antidemokraten an die Macht bringt.

Von Milošević zu Trump: Die bosnische Tragödie und der Verrat an den Bürgerrechten

von Sead Husic

Es herrschte keine Freude bei der bosnisch-herzegowinischen Regierungsdelegation am 22. November 1995 auf dem Wright-Patterson-Luftwaffenstützpunkt in Dayton. Eben hatte sie dem Friedensabkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien, die noch aus Serbien und Montenegro bestand, und Kroatien zugestimmt, doch sie fühlte sich betrogen.