Ausgabe Mai 2017

Iranische Paradoxien

Streifzüge durch ein uneindeutiges Land

Wenn die Iranerinnen und Iraner am 19. Mai ihren Präsidenten wählen, hat der moderate Kleriker Hassan Rohani gute Chancen, das Vertrauen für eine zweite Amtszeit zu erringen. Vielen Beobachtern gilt er als Garant dafür, dass sich Irans neue Diplomatie des Dialogs gegenüber dem Westens fortsetzen würde – wenn auch unter widrigen Bedingungen. Denn die Entspannung, die sich viele Iraner nach dem 2015 ausgehandelten Nuklearabkommen erhofft haben, will vorerst nicht eintreten: US-Präsident Donald Trump ist daran gelegen, eine Drohkulisse aufrechtzuerhalten; neue Sanktionen wurden erlassen.

Die üblichen Kurzzeit-Analysen übersehen allerdings, dass sich die iranische Gesellschaft unter der Oberfläche der offiziellen Politik schon lange in einem Veränderungsprozess befindet. Das zu erkennen ist nicht immer leicht, und westliche Prognosen über die Entwicklung der Islamischen Republik haben sich so oft als falsch erwiesen, dass die Iraner daraus eine Gesetzmäßigkeit abgeleitet haben: „Nur eines weiß man sicher: Was ihr alle vorhersagt, wird garantiert nicht passieren.” Quelle vieler Fehldeutungen ist unser Hang zum binären Denken: Gut oder Böse; für uns, gegen uns; westlich-säkular gegen reli­giös-fanatisch. Alles, was uns vertraut und schön erscheint, wird als pro-westlich definiert: ob Lippenstift, verrutschtes Kopftuch oder Menschenrecht.

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In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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