
Bild: Samuel Salzborn: Kollektive Unschuld
In Zeiten, in denen Verschwörungstheorien, Antisemitismus und Rechtsextremismus an Resonanz gewinnen, kann eine Bestandsaufnahme der politischen Kultur der Bundesrepublik äußerst hilfreich sein – erlaubt ein solcher Zugang doch, das in dieser politischen Kultur verwobene Spannungsverhältnis von Herrschaft und Normen auf der einen Seite und die damit verbundenen emotionalen und kognitiven Haltungen der Bevölkerung auf der anderen Seite besser zu deuten, und damit auch Krisenphänomene.
Der Gießener Antisemitismus- und Rechtsextremismusforscher Samuel Salzborn unternimmt dieses Wagnis mit seinem Essay „Kollektive Unschuld“. Dort arbeitet er sich an der deutschen Erinnerungskultur ab, die – auch auf internationaler Ebene – oft als „Erfolgsstory“ wahrgenommen wird. Gegen diese Deutung erhebt Salzborn jedoch erhebliche Einwände. Er fokussiert dabei auf einen ubiquitär wirkenden Antisemitismus, der insbesondere die deutsche Entwicklung bis heute kennzeichne. „Die Abwehr der Shoah im deutschen Erinnern“ lautet denn auch der Untertitel seines neuen Essays und zeigt an, worum es dem Autor geht: „um die größte Lebenslüge der Bundesrepublik“, um den Irrglauben „an eine tatsächliche Aufarbeitung der Vergangenheit“.
Doch Salzborn legt den Finger noch tiefer in die Wunde.