
Bild: IMAGO / Ikon Images / John Holcroft
Seit Wladimir Putin vor fast einem Jahr mit dem Angriff auf die Ukraine ein neues Kapitel der Kriegsführung in Europa eröffnet hat, erleben wir gleichzeitig mit der Welle der Hilfe und Solidarität für die kämpfenden und fliehenden Ukrainerinnen und Ukrainer eine medial gestützte Diskreditierung des Pazifismus, dem von Naivität gegenüber der Kriegsrealität bis zur Unterwerfung gegenüber Putin ziemlich viel vorgeworfen wird.Im Zuge dessen wird auch die Ost-West-Entspannungspolitik der 1970er Jahre, also die auf Deeskalation und Friedenssicherung gerichtete deutsche Außenpolitik, in Zweifel gezogen. Das aber nährt die Sorge, dass im Sog des Krieges wichtige Lehren aus Konfliktgeschichte und -analyse über Bord geworfen, dass unter Berufung auf eine „Zeitenwende“ neue, vor allem auf militärisches Handeln ausgerichtete Weichen ohne ausreichenden strategischen Kompass für eine friedlichere Zukunft gestellt werden.[1] Allzu umstandslos wurden umgehend kooperative außenpolitische Paradigmen der vergangenen Jahrzehnte – zumindest im Hinblick auf die Russlandpolitik – als „illusionär“ oder gar „verlogen“ verabschiedet. Das aber ist nicht nur geschichtsvergessen, sondern diskreditiert wissenschaftlich begründete Friedens- und Sicherheitspolitik, wie sie aus den bitteren Lehren der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts entwickelt wurde.