
Bild: Zwei Autos stehen auf einem Radweg in Berlin, 27.6.2023 (IMAGO / photothek / Thomas Trutschel)
Ganz unideologisch wolle er regieren, hatte Kai Wegner im Wahlkampf getönt, die Stadt wieder vereinen, eine Politik für alle machen. Nun ist der CDU-Mann tatsächlich der neue Berliner Regierende und wie zum Beweis verkündet seine Parteifreundin und Verkehrssenatorin Manja Schreiner: „Wir machen keine Politik für das Auto, wir machen keine Politik gegen das Auto. Wir machen eine Politik mit dem Auto“. Wenn das nicht nach Ideologiefreiheit klingt! Dass vom Fahrrad keine Rede ist, obwohl Frau Schreiner auch für den Klimaschutz zuständig ist – geschenkt! Dafür immer fest im Blick: die armen, ach so gebeutelten Berliner Autofahrer, die nun endlich wieder durch die zuvor grün-gesperrte Friedrichstraße brausen dürfen.
Und das aus gutem Grund: Schließlich haben die Autofahrer vor allem der städtischen Außenbezirke der Union den Wahlsieg beschert. Und dafür werden sie jetzt belohnt, wird dem Auto endlich wieder jener Stadtraum eingeräumt, der ihm gebührt. Dass derweil beispielsweise die einstige Autostadt Hannover eine autofreie Innenstadt plant, ist den Berliner Machern Wumpe. Freie Fahrt für freie Bürger, lautet hier noch immer die Devise. Kein Autoparkplatz soll fallen für andere Verkehrskonzepte – das ist das neue Mantra in der Hauptstadt.
So hält auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing am völlig antiquierten Weiterbau der A 100 durch die Berliner Innenstadt fest, zu Lasten von Wohnungen und Clubs, die – man höre und staune – dafür sogar enteignet werden! Hier gehts schließlich um die Raserei, aller städtischen Luftverschmutzung zum Trotz. Aber was soll‘s: Wissing braucht aufs Klima ja seit neuestem nicht mehr zu achten – die Ampel macht’s möglich, sollen doch die anderen Ministerien seine verpassten Sektorziele kompensieren.
Die Verkehrssenatorin wollte sich da nicht lumpen lassen und stoppte unzählige bereits geplante Radwege. Dass die Bezirke damit Gefahr laufen, Bundes- und EU-Zuschüsse in zweistelliger Millionenhöhe zu verlieren: Wen schert‘s! Wer schon einmal zig Milliarden für einen untauglichen Flughafen in den märkischen Sand gesetzt hat, für den sind so ein paar Millionen doch schlicht Peanuts. Dachte sich der neue Senat. Doch da hatte er sich verrechnet: Mit einem acht Kilometer langen Fahrradkorso protestierten mehr als 13 000 Berliner gegen den neuen Autowahn und für die nötige Verkehrswende – angesichts rasant gestiegener Fahrradfahrerzahlen und dem immer drängender werdenden Klimaschutz.
Und wie reagierte Frau Schreiner? Wie Vogel Strauß: Auf einmal wollte sie den Radwegestopp gar nicht persönlich verhängt haben, sondern eine untergeordnete Behörde, angeblich ohne ihre Kenntnis. Die bereits im Bau befindlichen Radwege dürften natürlich weitergebaut werden. Für alle anderen aber gilt weiter die neue Maßgabe: Kein Fahrradweg, wenn es auch nur einen Autoparkplatz kostet.
Was für ein Berliner Irrsinn! Dabei hat sich eines längst gezeigt: Eine fahrradfreundliche Stadt sorgt für mehr Verkehrssicherheit, spart CO2 und führt sogar zu schnellerem Autoverkehr. So liegt die Auto-Durchschnittsgeschwindigkeit in der Fahrrad-Metropole Amsterdam bei 40 km pro Stunde – derweil deutsche Städte oft kaum auf 30 km/h kommen. Ganz in diesem Sinne, lieber Berliner Senat, Reisen bildet! Haltet es deshalb in Zukunft bitte mit Eurem großen Ernst Reuter: „Schaut aus dieser Stadt!“