Ausgabe April 2024

Furchtbare Vereinfacher

Zum israelbezogenen Antisemitismus an deutschen Universitäten

Die Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands (JSUD) Hanna Velier bei einer Demonstration vor der Freien Universität in Berlin, 15.12.2023 (IMAGO / Emmanuele Contini)

Bild: Die Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands (JSUD) Hanna Velier bei einer Demonstration vor der Freien Universität in Berlin, 15.12.2023 (IMAGO / Emmanuele Contini)

Lahav Shapira studiert an der Freien Universität Berlin, der Hochschule, an der ich lehre. Er ist dort bekannt als jüdischer Aktivist, der sich gegen israelbezogenen Antisemitismus einsetzt. Diese Variante des Judenhasses wird seit dem 7. Oktober an allen Berliner Universitäten so lautstark und militant vertreten, dass sich manche jüdischen Kommilitonen nicht mehr auf den Campus trauen. An der Freien Universität etwa haben propalästinensische Aktivisten im Dezember einen Hörsaal besetzt und Israel das Existenzrecht abgesprochen. Shapira zählte zu denjenigen, die dies dokumentiert haben.

In der Nacht vom 2. auf den 3. Februar hat ein offenbar pro-palästinensischer Kommilitone Lahav Shapira nach einem verbalen Streit ins Gesicht geschlagen, die Nase und einen Knochen unter einem Auge gebrochen. Und dies war die erste schriftliche Reaktion aus dem Präsidium der Universität, an der Opfer und Täter eingeschrieben sind: „Wir sind tief betroffen. Die Freie Universität Berlin steht für Offenheit und Toleranz und distanziert sich von jeglicher Form von Hetze und Gewalt.“[1]

Fehlte da nicht etwas? Stellen wir uns vor, das Opfer wäre schwarz und der Täter weiß gewesen: Hätte da keiner das Wort „Rassismus“ vermisst? Wäre es hinnehmbar gewesen, diese Ursache der Gewalt und das offenkundige Motiv des Täters nicht zu benennen? Gegen jegliche Form von Hetze und Gewalt sind selbstverständlich alle, die guten Willens sind.

»Blätter«-Ausgabe 4/2024

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In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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