Bild: Start eines Helikopters von einer fast 100 Meter langen Motoryacht, die dem kanadischen Multimilliardär Lawrence Stroll gehört, 26.5.2017 (IMAGO / Peter Seyfferth)
Sie düsen in Privatjets um die Welt, um Immobilien und Konzernketten an sich zu reißen. Sie kaufen ganze Landschaften und Inseln, um sich dort im größten Luxus abzukapseln. Sie übernehmen Massenmedien, um sich selbst zu verherrlichen und gegen Arme und Geflüchtete zu hetzen. Noch nie in der Geschichte hat eine kleine Gruppe von Menschen so viel Macht akkumuliert wie die Hyperreichen von heute. Man kann durchaus behaupten: Die Welt nähert sich einer globalen Diktatur der Superreichen. Vor allem in den USA haben sie direkt oder indirekt das Sagen, aber auch in Russland, China, Indien, Argentinien, Deutschland, der Schweiz und anderswo. „Oligarchie“ – Herrschaft der Wenigen – ist dafür ein viel zu harmloses Wort. Es geht um eine steuerhinterziehende Bande geld-, sex- und eroberungssüchtiger Imperatoren.
Könige, Kaiser, Feudalherren – sie waren Piepspatzen im Vergleich zu ihnen. Jene konnten zwar den Zehnten aus ihren Untertanen herauspressen, aber sie hatten nicht die Macht, mittels Social Media deren Gehirne zu waschen, sie internetsüchtig zu machen und daran auch noch Milliarden zu verdienen. Heute besitzt ein Prozent der weltweit Reichsten so viel wie die Hälfte der Menschheit zusammen. Seit der Coronapandemie konnte diese oft kriminell agierende Bande ihr Vermögen obszönerweise noch verdoppeln, während fünf Milliarden Menschen ärmer wurden.
Acht der zehn Reichsten gehören laut aktuellem Forbes-Ranking zu den Techbossen des Silicon Valley. Ausreißer sind hier nur Bernard Arnault, Eigentümer von 70 Luxusmarken, und Warren Buffett, Chef des Multikonzerns Berkshire Hathaway. Die drei Allerreichsten sind Elon Musk von Tesla & Co., Larry Ellison von Oracle und Mark Zuckerberg von Facebook und Meta. Amazon-Boss Jeff Bezos, der im Frühsommer halb Venedig kaperte, um dort seine Pompheirat zu inszenieren, liegt „nur“ auf Platz vier. Prunk-und-Protz-Trump ist mit seinem ergaunerten Vermögen die ideale Gallionsfigur dieser Überreichen.
Von wenigen weiblichen Ausnahmen abgesehen, die vor allem auf familiären Erbschaften beruhen, sind Milliardäre männlich. Was motiviert diese Männer? Wollen sie die totale Herrschaft? Das totale Glück? Wollen sie an der Spitze der Welt stehen, unendlich mächtig, unendlich maskulin? Sie liefern sich jedenfalls die absurdesten Rattenrennen. Zum Beispiel, wer die längste Luxusjacht der Welt besitzt – was dazu führt, dass sie schon nach wenigen Jahren eine neue bestellen. Noch größer, teurer, länger, luxuriöser. Nicht alle Gigaschiffe sind im Besitz der Techsuperreichen. Einige sind auch im Eigentum von Ölscheichs oder – wie die „Scheherazade“ – mutmaßlich von Putin, der sich nach den Recherchen von Alexej Nawalny ein verschleiertes Imperium an Reichtümern zusammengestohlen hat. Die mit 181 Metern längste Jacht der Welt, die „Azzam“, gehört dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate. Die einem Milliardär gehörende „Eclipse“, die früher auf Platz 1 lag und zwei Swimming Pools und drei Hubschrauberplätze beherbergt, rutschte auf den dritten Platz ab. Der Eigentümer sorgte vor einigen Jahren für Lacher beim Versuch, in einem Hafen an der Cote d‘Azur anzulegen, weil sein Kähnchen an keine Anlegestelle passte. All das erinnert an Schulhofspiele von Halbwüchsigen, bei denen es darum geht, wer den Längsten hat.
Toxische Männlichkeit made in Silicon Valley
Und das ist nur eines von vielen Beispielen für die toxische Männlichkeit, die US-Superreiche unter ihrem frauenfeindlichen Präsidenten so offen wie noch nie zur Schau stellen. Trump riet schon früher dazu, Frauen „an der Muschi zu packen“. Mark Zuckerberg, ein glühender Bewunderer des römischen Diktators Augustus, den er mit seiner Frisur nachahmt, wollte nach Trumps Wahlsieg wieder mehr „männliche Energie“ in die Unternehmenskultur bringen. Elon Musk, Richard Branson und Jeff Bezos liefern sich Kämpfe, wer die heißeste Privatrakete mit der phallischsten Form ins All schickt.
Einige Hyperreiche, darunter auch Trump, hatten Verbindungen zum Investmentbanker Jeffrey Epstein. Dieser nannte einen Jet namens „Lolita Express“ sein Eigen, nebst Privatinseln und Urlaubsdomizilen mit vielen Mädchen, bevor er wegen Menschenhandels mit Minderjährigen zur sexuellen Ausbeutung angeklagt wurde und sich vor seiner Verurteilung im Knast umbrachte. Der von den „Transhumanisten“ im Silicon Valley beeinflusste Epstein, so schreibt US-Medienexperte Douglas Rushkoff, wollte seinen Kopf und Penis für eine Wiederbelebung in der Zukunft einfrieren lassen. Rushkoff glaubt, das Narrativ dieser Tech-Bros sei nicht zufällig „der männlichen Orgasmus-Kurve“ nachgebildet: „Krise, Klimax, Lösung... Anschwellende Aktivität, Höhepunkt, Schlaf... Eroberung, Kolonialisierung, Beherrschung und Ausbeutung.“ Maskulinisten bei der Arbeit.
Rushkoff schrieb seinen Bestseller „Survival of the Richest“, nachdem ihn fünf Superreiche in einem Luxushotel ausgequetscht hatten, wo man nach einem Klima- oder sonstigen Kollaps am sichersten unterkommen könne.[1] In Neuseeland oder Alaska? Und wie sollten sie die Befehlsgewalt über ihr dann vielleicht meuterndes Wachpersonal behalten? Des Autors Verdacht: „Sie wollen genug Geld verdienen, um sich vor dem Schaden abzuschotten, den sie verursachen.“ Sie sagen selbst, die von ihnen schwer beschädigte Erde sei nicht zu retten und die teilweise von ihnen selbst finanzierte KI werde die Menschheit auslöschen. Aber der US-Professor ist überzeugt, dass der „Silicon-Valley-Eskapismus“ scheitern wird: Es gebe keine sicheren Festungen, nirgendwo. Auch nicht für Bezos, der nach dem Kollaps kleine Eliten in All-Kolonien umsiedeln will. Auch nicht für Musk, der sein Sperma als „Geschenk“ für „seine“ ersten Menschen auf dem Mars einfrieren ließ.[2]
Schweigsame Milliardäre in Deutschland
Schwerreiche Deutsche machen nicht ganz so viele Schlagzeilen, sie schotten sich stärker von den Medien ab. Die Journalistin Julia Friedrichs recherchiert seit vielen Jahren über sie und spricht von einem „Schweigekartell“: Die wenigsten wollten mit ihr reden.[3] Die meisten deutschen Superreichen leben in Familiendynastien unter sich, in Luxusvillen am Rande von Metropolen oder auch im hessischen Dagobertshausen (kein Witz!), umgeben von einem schützenden Kokon aus „Family-Officers“. Das sind gut bezahlte Spezialisten, die sich um die Vermehrung des Vermögens ihrer Auftraggeber kümmern, den Staat mittels Steuertricks legal bescheißen und sich um den Alltag der zahlreichen Angestellten, Kinder und Enkel kümmern. Diese werden in Privatkitas, Privatschulen und Privatuniversitäten auf ihr zukünftiges Privatleben als Erben vorbereitet, in dem sie hauptsächlich ihre Geldberge verwalten. Denn über die Hälfte des Vermögens in Deutschland wird vererbt und durch absurd hohe Freibeträge vor Besteuerung geschützt.
Rund 4000 Schwerreiche hierzulande verfügen laut Julia Friedrichs über 1,4 Bill. Euro, das ist rund dreimal so viel wie der gesamte Bundeshaushalt. Ein Riesenbatzen mit einem enormen Erpressungspotenzial: „Wenn wir mehr Steuern zahlen müssen, gehen wir ins Ausland und nehmen alle Jobs in unseren Unternehmen mit!“ Aber Erpressung ist unter einem Kanzler Merz wohl gar nicht nötig – der fliegt ebenfalls Privatjet und hat unter anderem als Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschlandfiliale des US-Anlagefonds Blackrock jahrelang massig Kohle verdient. „Kohle“ ist hier bewusst gewählt, denn Blackrock investierte überall, auch in fossile Drecksenergien.
Zugegeben: Im Vergleich zu einem Multimilliardär wie Klaus-Michael Kühne hat Millionär Merz einen schmalen Geldbeutel. Kühne verdient mit seinen Logistikunternehmen so viel wie 21 600 Bundeskanzler zusammen. Den Superreichen kommt sehr zugute, dass „Millionen“ und „Milliarden“ sprachlich so ähnlich klingen. Der gigantische Unterschied – eine Milliarde besteht aus tausend Millionen – entgeht vielen Menschen. Aber in einem bildlichen Vergleich ausgedrückt ist Kühnes Einkommen mit 884 900 Zentimetern ungefähr so hoch wie der Mount Everest, während des Bundeskanzlers Gehalt mit 42 Zentimetern gerade mal die Höhe einer Zimmerpflanze einnimmt.[4] Der höchste Berg der Welt gegen eine Topfblume – das zeigt die Machtverhältnisse.
Nix rieselt herab – außer Schadstoffe
Aus Angst vor Enteignung haben Superreiche deshalb schon vor Jahrzehnten ihre Propagandamaschine angeworfen. Reichtum komme allen zugute, verlautbaren ihre Stiftungen, Netzwerke und Wirtschaftsberater: Der Wohlstand der Reichsten tröpfle durch Konsum und Investitionen herab bis in die unteren Schichten, vorausgesetzt, man besteuere sie nicht oder kaum. Von „Trickle down“ sprach zuerst David Stockman, in den 1980er Jahren Haushalts-Chefberater des US-Präsidenten Ronald Reagan. Obwohl eine völlig unbewiesene Behauptung, griffen Reiche das Bild dankbar auf und propagierten eine Flut steigenden Wohlstands durch Steuersenkungen.
Dabei muss man nur auf die Privatjets und Prestigeobjekte der Milliardäre schauen, um zu kapieren, dass hier nichts tröpfelt und keine Flut steigt. Das sind festgelegte Werte, so betonhart wie die Landebahnen ihrer Privatflughäfen und die meterhohen Mauern um ihre Luxusvillen. Im Gegenteil, solche Kapitalmassen könnten – anderswo angelegt – sehr viel Besseres für die Welt bewirken. Auch hat eine Metastudie längst bewiesen, dass es kein Runtertröpfeln gibt. David Hope und Julian Limberg untersuchten 18 Länder rund um den Globus über einen Zeitraum von 1965 bis 2015 und fanden heraus, dass Steuersenkungen auf Vermögen und Spitzeneinkommen einzig einer Gruppe zugute kamen: den Reichen selbst.[5] Die Ökonomen Emmanuel Saez und Gabriel Zucman lieferten 2019 die Fortsetzung und zeigten, dass die Steuersenkungen unter der ersten Regierung Trump das Vermögen der Schwerreichen nochmal erhöht haben.[6] Der US-Wirtschaftswissenschaftler Joseph Stiglitz kommentierte die „Trickle-down“-PR so: „Die zunehmende Flut hat nur die langen Jachten angehoben.“[7]
Trump setzte Mitte 2025 mit seinem „One Big Beautiful Bill Act“ aber noch einen drauf. Das Gesetz mit dem affigen Namen entlastet seinesgleichen nochmals stärker, obwohl Amazon-Chef Bezos schon 2007 und 2011 überhaupt keine Steuern zahlte, genauso wenig wie Tesla-Chef Elon Musk 2018. Dafür erhöht es die Staatsschulden sowie die Ausgaben für Militär und Grenzschutz und reduziert massiv Sozialausgaben, sodass Millionen Arme demnächst ohne Krankenversicherung und Lebensmittelhilfe dastehen.
Hinzu kommt: Die meisten dieser Leute gehören zu den schlimmsten Klimakillern. Superreiche investieren weiter wie besessen in fossile Energien – einfach weil es so hübsch viel Geld einbringt. Laut einer Studie der britischen Non-Profit-Organisation InfluenceMap verursachen 57 Konzerne vor allem aus dem Gas-, Öl- und Zementbereich inzwischen 80 Prozent aller globalen CO2-Emissionen.[8] Und Milliardäre stoßen mit ihrem luxuriösen Lebensstil, mit Privatjets und Jachten ein Vielhundertfaches an Schadgasen aus als Durchschnittsmenschen. Folgt man einem Oxfam-Bericht von 2023, war das reichste eine Prozent der Weltbevölkerung 2019 für 5,9 Mrd. Tonnen CO2-Emissionen verantwortlich und damit für mehr Treibhausgase als zwei Drittel der Menschheit zusammen. Diese Emissionen werden nach einer Rechenformel der US-Umweltbehörde in den kommenden Dekaden den Hitzetod von 1,3 Millionen Menschen verursachen.[9] Umgekehrt aber könnten die rund 14 Bill. Dollar Vermögen der 2700 weltweit Reichsten – investiert etwa in erneuerbare Energien – die Welt bis 2030 klimaneutral machen.[10] Der britische Anthropologe Jason Hickel schlussfolgert: „Jede Politik, die die Einkommen der Superreichen reduziert, ergibt einen positiven ökologischen Nutzen.“[11]
Geld macht einsam, unglücklich und krank
Würde ein Milliardär diesen Text lesen, käme spätestens jetzt der Einwand: „Ach, Sie sind doch nur neidisch!“ Kein bisschen. Superreiche haben gewiss gewaltige Privilegien. Sie können sich mondäne Villen bauen lassen und teure Privatärzte leisten; sie können in Privatjets herumdüsen, statt auf Flughäfen und Bahnhöfen warten zu müssen; sie können sich schöne Frauen mieten und auf Partys protzen. Aber ganz abgesehen von den unethischen Aspekten dieses Lebensstils – macht das dauerhaft zufrieden?
Nein. Die glücklichsten Momente unseres Lebens erleben wir Menschen, wenn die Macht des Geldes radikal ausgeschaltet ist – in der Sphäre der Liebe, der Familie, in Freundschaften, Nachbarschaften, allen fürsorglichen Verbindungen. Von dieser anthropologischen Konstante sind auch Milliardäre nicht ausgenommen. Ganz im Gegenteil: Im Unterschied zu uns Normalmenschen schweben sie andauernd in Unsicherheit, ob sie nur wegen ihres Geldes gemocht und verhätschelt werden, ob die „Liebe“ ihrer Miet- und Ehefrauen echt ist oder nur Heuchelei. Geborgen und sicher fühlt man sich nur in Bindungen, die nicht berechnend sind. Aber unter dem Einfluss des Geldes werden warme Sozial- zu kalten Geldbeziehungen. Um das nicht zu spüren, werden viele Superreiche zu Workaholics. Sie arbeiten bis zum Umfallen und haben dann gar keine Zeit mehr, ihre Privilegien auszuspielen – wie beispielsweise Musk. Hinzu kommt: Superreiche leben isoliert hinter meterhohen Mauern, weil sie Gewaltkriminalität, Einbrüche, Raubüberfälle und Entführungen fürchten müssen. Nicht alle, aber viele sind geschüttelt von Ängsten und psychischen Störungen – und suchtgeplagt, geldsüchtig sowieso, dazu oft auch noch alkohol-, pillen- und drogenabhängig.
Sebastian Klein war schon mit Mitte 30 mehrfacher Millionär, bis er erkannte: „Viel Geld macht einsam. Viele Reiche berichten von ihrem Misstrauen, dass ihre Mitmenschen doch nur ihr Geld haben wollten. Man beschäftigt sich ständig mit Geld, mit Materiellem“, erzählt der Autor des Buches „Toxisch reich“. Auch er selbst habe ständig überlegt, „wie ich aus einer Million zwei Millionen machen könnte, und fühlte mich immer unfreier“. Andauernd vergleiche man sich mit anderen, die noch reicher sind, und fühle sich als „armes Würstchen“. Der unglaubliche Reichtum in der Hand weniger Menschen wirke wie ein Gift, das alles zerstört, was unser Leben lebenswert macht. „Wir wären alle glücklicher in einer Gesellschaft, in der alle genug haben.“[12] Der Berliner überführte deshalb 95 Prozent seines Vermögens in gemeinnützige Unternehmen. Ein Milliardär, ebenfalls mit dem (Deck-)Namen „Sebastian“, bekannte gegenüber Autorin Friedrichs, dass er seinen Reichtum stets versteckte und Freunde nie ganz an sich heranließ. Ein „Family-Officer“ bestätigt die vielen Sorgen der Superreichen. Eine ihrer größten Ängste sei Vermögensverlust durch Besteuerung oder Enteignung: „Das ist kein angenehmes Leben. Man sieht viele angstbesetzte Menschen.“
In Zürich gibt es inzwischen sogar eine teure Spezialklinik für Superreiche und ihren Nachwuchs, die Paracelsus Recovery. Kinder aus Familien mit einem Haushaltseinkommen von mehr als fünf Mio. Dollar entwickelten dreimal so häufig Suchterkrankungen wie die aus Mittelschichtsfamilien, schreibt die „Zeit“-Autorin Xifan Yang, die die Klinik besuchte. „Wohlstand beschützt nicht vor menschlichen Erfahrungen wie Schmerz. Im Gegenteil“, sagt Klinikgründer Jan Gerber. Seine Schlussfolgerung: „Zu viel Geld macht krank.“ Nach seiner Erfahrung sinkt die Glückskurve ab einem Vermögen von etwa fünf Millionen rapide, ab dem Punkt, an dem man allein von Zinsen leben kann. Superreichen gehe es „emotional netto schlechter, weil sie sich hinter drei Mauern und einer Selbstschussanlage verschanzen müssen, um sich sicher zu fühlen“.[13]
Die erstaunlichste Entdeckung in dieser exklusiven Therapieanstalt: Die Traumata der Kinder von Superreichen ähneln offenbar den Traumata der Kinder der Ärmsten: Sie fühlen sich vernachlässigt, allein gelassen, ungeliebt. Solche Söhne und Töchter „werden früh auf teure Internate geschickt oder wachsen in einem von Mauern abgeschirmten Haus mit 30 Zimmern und wechselnden Nannys und Hausangestellten auf“, sagt Klinikchef Gerber. Zudem würden sie überschüttet mit unerfüllbaren Erwartungen, die die Unternehmens-Patriarchen an sie stellten.
Glauben Sie also immer noch, dass ein Musk, ein Zuckerberg, ein Trump, Putin, Erdoğan oder Xi Jinping glücklich sind? Von Trump und Putin ist bekannt, dass sie von Ängsten geschüttelt werden, etwa vor Ansteckung, vor Frauen und vor „Feinden“ aller Art. Ja, solche Typen genießen Momente des Triumphes, wenn sie ein Land überfallen haben (Putin) oder damit drohen (Trump, Putin), wenn sie den Staat als vermeintlichen Feind zerlegen (Musk, Milei), Frauen und queere Menschen bedrohen (Orbán, Putin, Trump, Milei) oder die Opposition in den Knast stecken (Xi Jinping, Erdoğan, Putin). Aber es sind eben nur Momente. Wenn im nächsten Moment etwas schiefgeht, reagieren sie mit unkontrollierbarer Wut.
Ungleichheit schadet Armen und Reichen
Und wie ergeht es ganz normalen Menschen? Macht steigender Wohlstand sie glücklicher? Bereits 1974 und noch einmal 2010 wertete der US-Ökonom Richard Easterlin Umfragen zur Lebenszufriedenheit in 19 bzw. 37 Ländern aus und entdeckte: Menschen brauchen ein gewisses Grundeinkommen, das sie befähigt, ohne Not und existenzielle Ängste zu leben. Das subjektive Wohlbefinden von Menschen in ärmeren Ländern steigt deshalb zunächst rasch an, wenn ihre Staaten stabiler und wohlhabender werden. Ist aber ein gewisses Level erreicht, bleibt der durchschnittliche Glückspegel mehr oder weniger konstant – oder sinkt sogar. Jenseits einer bestimmten Schwelle, die heute je nach Studie mal auf 75 000 Dollar angesetzt wird, mal auf eine Million, hat die Steigerung des Einkommens keine Wirkung mehr.
Für manche stellte das „Easterlin-Paradox“ vieles infrage: dass materieller Wohlstand glücklich mache und Wachstum sein müsse, dass das Bruttoinlandsprodukt der beste Maßstab für das Wohlergehen sei und der Markt mit seiner unsichtbaren Hand alles von alleine richte. Max A. Höfer, vor einigen Jahren Geschäftsführer der neoliberalen „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“, fiel durch Easterlins Paradox gar vom Glauben ab: „Es stellte mich und meinen Job vor eine grundsätzliche Frage: Wenn das Lebensglück der Menschen nicht zunimmt, warum sollten sich die Menschen dann den ganzen Stress antun und nach immer mehr Einkommen, Wachstum und Produktivität streben?“[14] Höfer quittierte den Job und wurde zum freischaffenden Publizisten und Medienberater. Die Weltglücksberichte, die eine UN-Forschungsabteilung zusammen mit der Universität von Oxford alljährlich veröffentlicht, geben Höfer in allen Punkten Recht. Der allerwichtigste Zufriedenheitsfaktor im Leben von Menschen ist nicht Geld, sondern die Verbundenheit mit anderen Menschen in Form von Liebe, Familie, Nachbarschaft, Freundschaft, Gemeinschaft, Vertrauen. Wer das nicht hat, und dazu zählen viele Superreiche, ist arm dran.
Das zeigt sich auch im Vergleich zwischen den Nationen. Seit Jahrzehnten stehen die Gesellschaften der skandinavischen Länder an der Spitze der weltweiten Lebenszufriedenheit. Im „Happiness Report“ von 2025 kürten die Vereinten Finnland zum achten Mal in Folge zum glücklichsten Land der Welt.[15] Es folgen Dänemark, Island, Schweden, die Niederlande, Costa Rica und Norwegen. Das reiche Deutschland schneidet mit Platz 22 ziemlich mies ab, die noch reicheren USA mit Rang 24 erst recht. Auf dem letzten Platz steht Afghanistan.
Was macht die Menschen im Norden so zufrieden? Sie leben in kleinen Staaten und Gemeinschaften, in denen Menschen einander vertrauen und sich umeinander kümmern. Finnland strotzt nicht vor glückstrahlenden Menschen, aber ihm fehlen umgekehrt die extrem Unglücklichen. In finnischen Schulen werden Emotions- und Teamfähigkeit großgeschrieben, nicht Konkurrenz und Leistungsbereitschaft wie in Deutschland oder den USA. „Finnen vergleichen sich weniger, stehen nicht so im Wettbewerb zueinander wie Menschen in vielen anderen Ländern“, sagt der an der Studie beteiligte Ökonom John Helliwell.[16] Skandinavien zeichnet sich zudem durch größere Chancengleichheit und geringere Statusunterschiede aus, ob beim Geld oder dem Geschlecht: Frauen genießen dort höheres Ansehen und mehr Rechte. All das verringert den Druck, sich nach oben zu kämpfen – und den Stress, der krank macht.
Umgekehrt tendieren in Gesellschaften mit großer Ungleichheit die Menschen insgesamt dazu, unglücklicher, depressiver, misstrauischer, einsamer und kränker zu sein. Sie erleben mehr Gewalt und Kriminalität und haben mehr Angst, wie Kate Pickett und Richard Wilkinson in ihrer bahnbrechenden Studie „Gleichheit ist Glück“ durch Auswertung vieler epidemologischer Statistiken nachgewiesen haben. Auslöser zahlreicher Straftaten seien Gefühle von Status- und Ehrverlust – als Folge von Ungleichheit – sowie Ausgrenzung, Erniedrigung und daraus folgende Scham.[17]
Stress, Angst und Scham lösen wiederum häufig Krankheiten aus. Menschen aus Ländern mit großen Einkommensunterschieden – wie den USA oder Großbritannien – haben im Schnitt eine geringere Lebenserwartung und sind kränker als Menschen aus egalitärer ausgerichteten Ländern, so Pickett und Wilkinson.
Tax the rich, avoid their products
Je geringer die Statusunterschiede in einer Gesellschaft, desto besser geht es allen, auch den Reichen. Zwar gibt es keine demografischen Daten über das reichste eine Prozent der Bevölkerung, aber die Analysen deuten nach Wilkinson und Pickett darauf hin, „dass auch die reichsten Gruppen einen Gewinn von mehr Gleichheit haben. Geringere Einkommensunterschiede heben den Gesundheitszustand aller in einer Gesellschaft“, bei den Armen allerdings noch mehr als bei den Reichen. Wozu dann also der ganze ruinöse Wettbewerb, der mit ein paar Monopolisten an der Spitze endet, die auch nicht glücklich werden? Diese Art von Weltwirtschaft ergibt am Ende nicht mal ein Nullsummenspiel, sondern ein Minus für alle. Immer größerer Unwohlstand auf einem kaputten Planeten.
Dieses System wäre natürlich auch dann extrem pervers, wenn ein oder zehn Prozent der Reichsten glücklich wären. Es geht darum, den Mächtigsten die Machtmittel aus der Hand zu schlagen. Warum sind wir mehrheitlich immer noch so blöd, sie ständig noch reicher zu machen, indem wir ihre Dienstleistungen nutzen und dafür mit unseren Daten zahlen? Für alle Internetprodukte aus dem Silicon Valley gibt es längst Alternativen, die größtenteils sogar gemeinwohlorientiert sind. Statt X kann man zu Bluesky oder Mastodon wechseln. Statt Tesla kleinere und bessere E-Autos fahren. Statt Microsoft Open Software. Statt Google die Suchmaschine Ecosia, die mit ihren Gewinnen weltweit Aufforstung betreibt. Statt Amazon alternative Internetshops wie Avocado Store und andere nutzen – und zu jeder Gelegenheit darüber reden.
Denn der Ruf nach Umverteilung muss so laut werden, dass er nicht mehr zu überhören ist. Das mildeste Mittel dafür ist Besteuerung. Seit Jahrzehnten zahlen Überreiche immer weniger für staatliche Leistungen, die sie selbst nutzen, etwa Straßen oder Bildung. Normalverdienende in Deutschland müssen rund 47 Prozent ihres Einkommens für Steuern und Abgaben zahlen, bei Überreichen sind es 1 bis 27 Prozent, je nach Steuertricks ihrer „Family Officer“. Die CDU-geführte Regierung unter Helmut Kohl hatte die Vermögenssteuer nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1997 ausgesetzt, wodurch dem Staat bis heute sagenhafte 425 Mrd. Euro Einnahmen entgingen. Statt die Reichen mittels Vermögens- und anderen Steuern kräftig zur Kasse zu bitten, was das Urteil erlauben würde, will die schwarz-rote Regierung nun bei Sozialleistungen und Klimamaßnahmen kürzen und zugleich Milliarden in die Aufrüstung pumpen.
Umgekehrt aber fordert eine steigende Anzahl von Reichen beiderlei Geschlechts, endlich angemessen besteuert zu werden. In den deutschsprachigen Ländern haben sie sich in der Vereinigung „Tax me now“ zusammengeschlossen, in den USA gibt es ähnliche Organisationen. Auch die Allianz „Vermögenssteuer jetzt“, der zahlreiche Organisationen von attac über Greenpeace bis zum DGB angehören, fordert eine zweiprozentige Steuer auf Vermögen ab 100 Mio. Euro. Und die G20 schlug Ende 2024 ebenfalls eine globale Milliardärssteuer vor – was Trump natürlich sofort sabotierte. Dabei würden die Superreichen eine zweiprozentige Vermögenssteuer wahrscheinlich noch nicht einmal bemerken. Wohlgemerkt: Unter den US-Präsidenten Franklin Roosevelt und Dwight Eisenhower waren Spitzensteuersätze über 90 Prozent möglich. Sie sorgten ab den 1930er Jahren für eine gigantische Umverteilung, den Aufbau einer großen Mittelschicht und mutmaßlich sogar für die Verhinderung des Faschismus in den USA.
Mehr Gleichheit führt zu weniger Konsum, also zu weniger Wachstum, was wiederum zu mehr Gleichheit führt. „Gerechtigkeit ist das Gegenmittel gegen den Wachstumszwang – und der Schlüssel für die Lösung der Klimakrise“, schreibt Jason Hickel.[18] Weil die Statuskonkurrenz geringer wird, mindert sich die Ausbeutung von Ressourcen für den Konsum. Für unsere westlichen Länder könnte das ein Ausweg sein: Mehr Gleichheit würde Menschen und Natur aufblühen lassen.
[1] Douglas Rushkoff, Prepper mit Milliarden: Das Mindset der Tech-Elite, in: „Blätter“, 2/2025, S. 79-86.
[2] Jennifer Stange, Die Visionen der Tech-Milliardäre, Deutschlandfunk, Essay und Diskurs, 6.7.2025.
[3] Julia Friedrichs, Crazy Rich, Berlin, 2024, S. 15; vgl. auch Susanne Billig, Die Schattenwelt der Superreichen, in: „Blätter“, 11/2024, S. 123-125.
[4] Vgl. Superreiche gerecht besteuern, taz, Sonderseiten vom 28.3.2025, Zahlen von Attac und Netzwerk Steuergerechtigkeit.
[5] David Hope und Julian Limberg, Tax cuts for the wealthy only benefit the rich: debunking trickle-down economics, LSE Research for the World, 16.12.2020.
[6] Emmanuel Saez und Gabriel Zucman, Der Triumph der Ungerechtigkeit, Berlin 2021.
[7] Joseph Stiglitz, Inequality and Economic Growth, in: „The Political Quarterly“, 1/2015, S.134–155.
[8] The Carbon Majors Database, influencemap.org, April 2024.
[9] Oxfam International, Climate Equality: A Planet for the 99 %, oxfam.org, 20.11.2023.
[10] Oxfam Deutschland, Carbon Inequality Kills, Berlin 2021.
[11] Jason Hickel, Weniger ist mehr. Warum der Kapitalismus den Planeten zerstört und wir ohne Wachstum glücklicher sind, München 2022, S. 214 ff.
[12] Sebastian Klein, Toxisch reich, München 2025, und Interview mit dem Autor, taz.de, 19.4.2025.
[13] Xifan Yang, Wo Milliardäre therapiert werden, in: „Die Zeit“, 12.6.2025.
[14] Max A. Höfer, Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir glücklich sind?, München 2013.
[15] John F. Helliwell et al., World Happiness Report 2025, Wellbeing Research Centre, University of Oxford, Oxford 2025.
[16] Tagesschau, Finnland bleibt glücklichstes Land, tagesschau.de, 20.3.2024.
[17] Kate Pickett und Richard G. Wilkinson, Gleichheit ist Glück. Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind, Berlin, 2009.
[18] a.a.O., S.214 ff.