Ausgabe Juli 1995

Einwanderung, Integration, Identität: das Modell Australien

Die Diskussion über die Möglichkeiten oder Gefahren einer multikulturellen Einwanderungsgesellschaft sollte auch das Beispiel Australien auswerten. Oft wird mit dem Hinweis auf ethnischen Separatismus in den USA oder gar auf den bosnischen Bürgerkrieg die Unmöglichkeit des Multikulturalismus belegt.

Doch hat Australien mit fast fünf Jahrzehnten einer systematischen Einwanderungspolitik hauptsächlich gute Erfahrungen gemacht. Das australische Beispiel bestätigt, was Klaus J. Bade ohne direkten Bezug auf Australien ausführt: Multikulturalismus sollte ganz nüchtern verstanden werden "als Leitmotiv sozialen Handelns und nicht als sozialromantische Ersatzreligion" (Bade 1993, S. 808), wobei "klare Optionen der Einwanderungspolitik" (S. 811) die Voraussetzung für jedes Gelingen darstellen. Seit 1947 betreibt Australien ein massives Einwanderungsprogramm, seit den 70er Jahren ging das Land ab von einer Strategie des Assimilationsdruckes zugunsten eines integrativen Multikulturalismus. Sollte das nicht auch in Deutschland möglich sein? Der Hinweis darauf, daß Australien ein "klassisches Einwanderungsland" ist, beweist wenig, denn auch der fünfte Kontinent hat eine Geschichte von Ethnozentrismus, Rassismus und rassistischer Einwanderungspolitik, die in langwierigen Lernvorgängen überwunden wurden.

1.

Juli 1995

Sie haben etwa 5% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 95% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Warnungen aus Weimar

von Daniel Ziblatt

Autokraten sind vielerorts auf dem Vormarsch. Ihre Machtübernahme ist aber keineswegs zwangsläufig. Gerade der Blick auf die Weimarer Republik zeigt: Oft ist es das taktische Kalkül der alten Eliten, das die Antidemokraten an die Macht bringt.

Von Milošević zu Trump: Die bosnische Tragödie und der Verrat an den Bürgerrechten

von Sead Husic

Es herrschte keine Freude bei der bosnisch-herzegowinischen Regierungsdelegation am 22. November 1995 auf dem Wright-Patterson-Luftwaffenstützpunkt in Dayton. Eben hatte sie dem Friedensabkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien, die noch aus Serbien und Montenegro bestand, und Kroatien zugestimmt, doch sie fühlte sich betrogen.