Ausgabe Juni 1996

Europa zu Zweit

Europa stirbt. Seit dem Abschluß des Vertrags von Maastricht hat es an Umfang unaufhörlich zugenommen, während es zugleich an Kraft verlor. Das ist der (im politischen Sinn) posthume Triumph der Margaret Thatcher und die Niederlage all jener, die von Jean Monnet zu de Gaulle und Mitterrand, von Konrad Adenauer bis Helmut Kohl ihre Hoffnungen in die europäische Union gesetzt haben. Wir stehen vor einem großen Schlammassel. Wie konnte es dazu kommen? Der Zauber Europas hat, wie wir heute sehen, den Fall der Berliner Mauer nicht überlebt. Was ihre Verwirklichung hätte einläuten sollen, erwies sich als Totenglocke der Europahoffnungen. Weil die nationalen Partikularismen im Bereich der Politik unüberwindlich erschienen, hatte man sich seit langem dazu entschieden, der Ökonomie notgedrungen den Vorrang zu geben.

Warum auch nicht? Aber über eines muß man sich klar sein: Im Geist seiner Gründer war Europa ein Mittel, das den Frieden unter den Vertragspartnern und ihren Schutz vor der äußeren Bedrohung sichern sollte. "Wir werden Euch den allerschwersten Schlag versetzen", hatte ein Diplomat der untergehenden Sowjetunion gesagt. "Wir werden Euch Eures Feindes berauben." Sehr weitsichtig. Heute glaubt niemand mehr in Europa an Krieg. Zu unrecht. Der zitierte Diplomat hätte ergänzen können: "Außerdem werden wir Euch neue Rekruten stellen.

Juni 1996

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