Beginnt an der Schwelle zum 21. Jahrhundert ein durch den Kampf der Kulturen geprägtes Zeitalter? Diese Frage stellte 1993 Samuel Huntington in einem weltweit vieldiskutierten Aufsatz, dessen Überschrift damals noch mit einem Fragezeichen versehen war. 1) Man konnte dieses Fragezeichen ernst nehmen oder aber als rhetorisches Einsprengsel begreifen. In der deutschen Ausgabe des nunmehr nachgeschobenen Buches 2) gerät der Kampf der Kulturen ohne Wenn und Aber zur Bestimmungsgröße für die "Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert". Von Fragezeichen keine Spur mehr: Die Anregung, die Weltpolitik nach dem Ende des Ost-WestKonfliktes nicht mehr (zumindest nicht zu allererst) mit Kategorien des machtpolitischen Konflikts, der Rüstungskonkurrenz, des ökonomischen Verteilungskampfes oder des ideologischen Systemantagonismus zu begreifen, sondern eine nagelneue paradigmatische Sichtweise, nämlich die des Kulturkonfliktes, in die Analyse internationaler Politik einzubringen, gilt nunmehr ohne Abstriche. Die Wirklichkeit der internationalen Politik prägt Huntington zufolge sowohl auf der Makro- als auch auf der Mikroebene tatsächlich der Zusammenprall der Kulturen.
Damit wurde eine provokante These, deren Suggestionskraft in einer Art von Plausibilität auf den ersten Blick bestand, noch einmal zugespitzt, allerdings damit auch für den zweiten, den kritischen Blick, exponierter.