Politische Willensbildung in der europäischen Verfassungsdebatte
Eine weit verbreitete Überzeugung im europapolitischen Diskurs lautet, dass das Mehrheitsverfahren ein Allheilmittel gegen politische Blockaden aller Art ist: Einerseits würde es das häufig beklagte Demokratiedefizit der EU abbauen helfen, andererseits Blockademöglichkeiten einzelner EU-Mitglieder beseitigen und so schnellere Entscheidungen und eine effizientere Politik ermöglichen. Gäbe es also bei allen wichtigen Materien Mehrheitsentscheidungen, dem Fortschritt der Europäischen Union zu einem demokratischen und effektiven politischen Gebilde stünde nichts mehr im Wege. Die eher vorsichtigen Annäherungen an das Mehrheitsverfahren im Verfassungsentwurf stehen dazu in einem eigentümlichen Kontrast. Zwar werden zahlreiche Themen der Mehrheitsregel unterworfen. Insgesamt jedoch wird im Verfassungsentwurf das bisherige Muster der politischen Willensbildung in der EU fortgeschrieben: bei weniger wichtigen politischen Fragen Mehrheitsentscheidungen, bei den wichtigeren Einstimmigkeit. Behindert diese Zögerlichkeit die weitere Integration Europas? Setzt sich hier gar der politische Wille durch, den Integrationsprozess aufzuhalten?
Weder will ich auf die spezielle Gestaltung der Mehrheitsregel im Verfassungsentwurf noch auf ihre Angemessenheit hinsichtlich einzelner Materien eingehen. Mir geht es vielmehr um die vorgeordnete Frage.