Ausgabe September 2004

Europäisches Dilemma: Das Defizit der drei Prozent

Der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt (ESWP), der seit 1997 zu den wichtigsten Rahmenbedingungen der Haushaltspolitik der EU-Länder gehört, sorgt auch im Jahre 2004 für Kontroversen. Gemäß der Prognose vom April 2004 verfehlten im vergangenen Jahr vier der 15 "alten" und sieben der zehn "neuen" Mitgliedsländer das im ESWP vereinbarte Budgetdefizitziel von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Für 2004 wird mit insgesamt zwölf "Defizitsündern" (sechs alte und sechs neue EU-Staaten) gerechnet; 2005 werden voraussichtlich zehn Länder die Verschuldungsobergrenze nicht einhalten können.

2004 ist damit ein Rekordjahr: Beinahe die Hälfte der Staaten der erweiterten EU wird ein "übermäßiges" Defizit aufweisen. Weitere Länder sind ein gutes Stück vom mittelfristigen Ziel eines nahezu ausgeglichenen Haushalts entfernt. Der mangelhafte Zielerreichungsgrad lässt in der öffentlichen Debatte seit geraumer Zeit wieder verstärkte Zweifel an der Sinnhaftigkeit und der Zukunft des ESWP laut werden. Sowohl das Prozedere zur Durchsetzung der Defizitziele1 als auch der jeweils aktuelle Stand der Defizitverfahren sind für den außen stehenden Beobachter kaum mehr durchschaubar.

Seit kurzem laufen Defizitverfahren gegen die Niederlande, Großbritannien und Griechenland sowie die Beitrittsländer Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Malta und Zypern.

Sie haben etwa 11% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 89% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema Wirtschaft

Wirtschaftspolitik ohne Verstand: Lockert die Steuerbremse!

von Axel Stommel

Es soll ein „Herbst der Reformen“ werden, kündigen Union und SPD lautstark an. Angesichts der ernüchternden Realität einer Finanzierungslücke von 172 Mrd. Euro, die im Bundeshaushalt zwischen den Jahren 2027 und 2029 klafft, ist die bei jeder Gelegenheit beschworene Aufbruchstimmung nur allzu verständlich.