Ausgabe April 2007

Der Wolf im Papstpelz

Die Kirchen sollten sich mit ihren vom Glauben geprägten Vorstellungen in die Diskussionen des demokratischen Rechtsstaates einbringen, auch wenn ihr Glaube längst nicht mehr von allen Bürgern geteilt werde. So der Philosoph Jürgen Habermas in seinem Gespräch mit dem damaligen Präfekten der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, im Januar 2004.1

Und Habermas sattelte noch einen drauf: Auch die säkularisierten Bürger sollten sich an der Anstrengung beteiligen, „relevante Beiträge aus der religiösen in eine öffentlich zugängliche Sprache zu übersetzen“. Die Citoyens sollten ein Interesse für die religiös begründeten Vorschläge zu gesellschaftlichen Fragen haben – nicht weil der Staat von Voraussetzungen lebe, die er selber nicht garantieren könne, wie das berühmte Diktum von Ernst-Wolfgang Böckenförde nahe legt, sondern aus der Einsicht, dass auch die Philosophie nach der Aufklärung religiöse Inhalte aufgenommen und übersetzt habe. Aus der Gottesebenbildlichkeit sei beispielsweise die gleiche Würde aller Menschen geworden, so Habermas. Summa: Die Kirchen sind deswegen eine wichtige Stimme, weil sie eine Tradition bewahren, die das Selbstverständnis des modernen Staates mitgeprägt hat und bis heute das Normbewusstsein und die Solidarität von gläubigen Bürgern prägt.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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