Ausgabe April 1998

Was hindert den Menschen?

Drei Fragen nach dem Verhältnis von gesellschaftlicher Einsicht und politischer Handlungsfähigkeit

I Was hindert den Menschen, sich schwierigen Einsichten rechtzeitig zu stellen und entsprechend zu handeln?

Die Frage hat es in sich; sie geht anthropologisch aufs Ganze. Der Mensch, sehr viel weniger instinktgeleitet als auch hochentwickelte Säugetiere, verfügt in gewissem Umfang über die Fähigkeit, Veränderungen seiner Umstände erkennend vorwegzunehmen und daraus Handlungsnotwendigkeiten abzuleiten, mit einem Wort: sich prognostisch-aktiv zu verhalten.

Aber wenn es um mehr geht als darum, im Frühjahr Kartoffeln in der Erde zu vergraben, um im Herbst an derselben Stelle mehr Kartoffeln herauszuholen (und zur Erlernung und Handhabung solcher Verhältnisse hat es Jahrtausende gebraucht, ganz abgesehen davon, daß diese nährende Pflanze vielerorts nur durch eine obrigkeitliche Maßnahme durchgesetzt werden konnte), - wenn es um mehr als die Anwendung bereits eingeübter Kausalverhältnisse geht, stößt schon der einzelne, erst recht die Gruppe oder gar das staatliche Ganze auf Erkenntnis-, Entscheidungs- und Vollzugsprobleme, die diese Fähigkeit stark herabmindern. Zur Bestimmung richtigen Voraushandelns hat der einzelne wie die Gruppe auch bei rationalem Herangehen dann nur zwischen verschiedenen Graden von Wahrscheinlichkeit zu wählen, die sich, bei gestreuter Entscheidungsfindung, vorzüglich zum Streit- und Profilierungsobjekt eignen.

April 1998

Sie haben etwa 5% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 95% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema