Ausgabe Juli 2000

Dem zynisch werdenden Politikbetrieb zum Trotz

Demokratiepreis 2000

Offenbar in letzter Minute haben sich die deutsche und die amerikanische Delegation am Pfingstmontagabend darauf geeinigt, wie deutsche Unternehmen in den Vereinigten Staaten vor Klagen auf Entschädigung ehemaliger NS-Opfer geschützt werden sollen. Mit dieser immer wieder eingeforderten "größtmöglichen Rechtssicherheit" ist der deutschen Wirtschaft auch die letzte Ausrede genommen, die Zahlungen an Zwangsarbeiter noch länger zu verschleppen. Nun können Bundestag und Bundesrat doch vor der Sommerpause das Stiftungsgesetz verabschieden. Von ersten Zahlungen "ab Jahresende" ist die Rede. Muß es solange dauern, müssen nochmals Hunderte oder Tausende der Betroffenen sterben, während die bereits von der Stiftungsinitiative gesammelten Milliarden täglich Hunderttausende Mark Zinsen bringen?

Lothar Evers, Sprecher des Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte e.V., hat in den Tagen vor der Einigung in Washington immer wieder Wirtschaft und Politik ermahnt, diese vielleicht letzte Chance zu nutzen, gleichzeitig aber ihre eigenen, gönnerhaften Sprüche von der "Verantwortung gegenüber den Opfern" ernstzunehmen und endlich für Soforthilfe zu sorgen. So auch am 7.

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Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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