Es mag wie ein Ritual gewirkt haben, als Anfang Juni der Bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) beim 52. Sudetendeutschen Tag die Aufhebung der Benes-Dekrete forderte. Denn dieses Ansinnen gehört seit Jahrzehnten zum Grundkanon der Vertriebenenverbände; vermutlich seit ebenso langer Zeit auch zu dem führender Politiker der Unionsparteien. Doch dürfte der aktuellen Artikulation erheblich mehr Bedeutung beizumessen sein, als sie verdiente, wäre sie bloßes Duplikat aus der Vergangenheit. Denn der Appell Stoibers an die tschechische Regierung, sich "im Zuge des EU-Beitrittsprozesses von diesen Dekreten und Gesetzen verbindlich zu trennen" 1), weist auf den außenpolitischen Druck im europäischen Kontext hin, der sich für die Tschechische Republik mit dem Näherrücken der EU-Osterweiterung verschärfen dürfte. Die "Mauer der Benes-Dekrete" so Stoiber, müsse "beseitigt" werden, um etwas für die "Heilung des Vertreibungsunrechts" zu tun: "Die Dekrete sind längst nicht mehr ein Problem, das nur allein die Sudetendeutschen betrifft. Sie sind inzwischen ein Problem Europas, ja eine Wunde Europas.
In der Januar-Ausgabe skizziert der Journalist David Brooks, wie die so dringend nötige Massenbewegung gegen den Trumpismus entstehen könnte. Der Politikwissenschaftler Philipp Lepenies erörtert, ob die Demokratie in den USA in ihrem 250. Jubiläumsjahr noch gesichert ist – und wie sie in Deutschland geschützt werden kann. Der Politikwissenschaftler Sven Altenburger beleuchtet die aktuelle Debatte um die Wehrpflicht – und deren bürgerlich-demokratische Grundlagen. Der Sinologe Lucas Brang analysiert Pekings neue Friedensdiplomatie und erörtert, welche Antwort Europa darauf finden sollte. Die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres erläutern, warum die Abhängigkeit von Öl und Gas Europas Sicherheit gefährdet und wie wir ihr entkommen. Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski erklärt, wie wir im Umgang mit Künstlicher Intelligenz unsere Fähigkeit zum kritischen Denken bewahren können. Und die Soziologin Judith Kohlenberger plädiert für eine »Politik der Empathie« – als ein Schlüssel zur Bekämpfung autoritärer, illiberaler Tendenzen in unserer Gesellschaft.