Ausgabe Mai 2007

Kulturmaterialismus

Wenn man für ein Lebenswerk ausgezeichnet wird, könnte man auf den Gedanken kommen, man habe seine Arbeit getan. Aber auch während ich die Schwelle zum Alter überschreite, empfinde ich das nicht so. Bestenfalls ist es mir gelungen, die beiden sozialen Fragen, die mich die letzten 40 Jahre hindurch beschäftigt haben, ein wenig ins Licht rücken – nämlich wo Menschen leben und wie Menschen arbeiten. Diese Themen sind nicht statisch, denn Arbeit wie Ort und Raum verändern sich in globalem Maßstab. Jetzt, an der Schwelle zum Alter, versuche ich zu verstehen, wie die beiden miteinander zusammenhängen.

Das große Thema, das mich mein ganzes Leben hindurch beschäftigt hat, ist die Frage, wie Männer und Frauen zu besseren, kompetenteren Materialisten werden könnten. Meine Leserinnen und Leser mag diese Erklärung überraschen. Obwohl ich mich lange für Technik interessierte, habe ich keine Ingenieurausbildung, und ich bin auch kein Sozialwissenschaftler, dem die Sammlung und Analyse statistischer Daten genügt. Die Art Soziologie, die ich praktiziere, kommt von Dilthey her und stützt sich auf die Methoden der modernen Anthropologie. Sie konzentriert sich darauf, welchen Sinn die Menschen in ihren Lebensumständen sehen.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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