Obwohl das postsäkulare Zeitalter auch in Italien längst begonnen hat, ist die Bedeutung der Institution Kirche in der jüngsten Vergangenheit enorm gewachsen, weit mehr als in anderen Ländern Europas. In ihrem Selbstverständnis als moralische Autorität beansprucht die katholische Kirche direkten Einfluss auf die italienische Öffentlichkeit und sogar auf die Legislative – und sie weitet diesen beständig aus.
Dabei reagieren die Kirchenmänner höchst ambivalent auf ihren Erfolg. Einerseits betonen sie immer wieder die Gefahren, die mit einem „Ausschluss Gottes aus dem öffentlichen Leben“ verbunden sind. Hingewiesen wird dabei, nicht zuletzt von Papst Benedikt XVI., auf das tückische wie allumfassende Konzept des „Relativismus“ bzw. „Laizismus“, dem die Absicht zugrunde läge, die Gegner moralisch zu diffamieren und politisch auszuschalten. Andererseits verhehlen die Kleriker nicht ihre Genugtuung über die große öffentliche Aufmerksamkeit, die sie in Italien genießen. Sie sehen darin ein Zeichen der „erneuten Bejahung der christlichen und katholischen Identität im Lande“, so die offizielle Erklärung der italienischen Bischöfe. In diesem Kontext ist es interessant, sowohl die argumentative als auch politische Strategie der Kirche genauer zu beleuchten.