Ausgabe August 2011

Auf der Suche nach dem Gemeinsamen

Überlegungen zur Zukunft der pluralen Linken

Wir schreiben das Jahr Zwei nach dem Höhepunkt der schwersten globalen Wirtschafts- und Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Von einer „Zeitenwende“ war die Rede angesichts des offenkundigen Versagens der Ideologie des ungezügelten Marktes, die der politischen Linken das Leben seit rund 40 Jahren schwer gemacht hat. Lange diskreditierte Argumente wurden wieder gehört. Das hegemoniale Pendel, so hofften viele, sollte nun wieder in die andere Richtung schlagen.

Tatsächlich können derartige Einschnitte, so lehrt uns die Wirtschaftsgeschichte, dazu führen, dass wirtschaftsliberale Phasen von sozial regulierten Phasen abgelöst werden – und umgekehrt. Die berühmte, von Karl Polanyi beschriebene „Doppelbewegung“[1] aus kapitalistischer Vereinnahmung einerseits und einer Gegenbewegung zum Schutz der Gesellschaft vor den Folgen des Marktes andererseits kennzeichnet den Kapitalismus seit jeher. Darum bestand vor zwei Jahren auch eine berechtigte Hoffnung auf eine Gegenbewegung.

Doch die letzten Jahre haben auch gezeigt: Dies ist weder ein Automatismus, noch bewegt sich das Pendel in ein diskursfreies Vakuum. Welchen Charakter diese Gegenbewegung annimmt, hängt von den sozialen Kräften und politischen Diskursen ab, wie auch ein Blick in die Geschichte zeigt.
Die globale Krise in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts war Ausgangspunkt unterschiedlichster Gegenbewegungen.

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In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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