Ausgabe Dezember 2013

Europas Zukunft: Mit oder ohne Demokratie?

In der Oktober-Ausgabe der „Blätter“ kommt Stephan Schulmeister zu dem Schluss, dass es sich bei der Europäischen Union um das größte anti-neoliberale Projekt handelt.[1] Wolfgang Streeck weist hingegen zu Recht auf die erheblichen demokratischen Defizite der EU hin, die in den letzten Jahren allzu deutlich hervorgetreten sind.[2] Das eigentliche Skandalon lässt er jedoch unerwähnt: dass nämlich antidemokratische Traditionen das EU-Projekt von Beginn seiner Schöpfung an begleitetet haben.

Die ersten noch im Widerstand gegen die Nazis geborenen Überlegungen zu Europa bezogen nicht nur Deutschland ein – das nach einer gewissen Übergangszeit gleichberechtigtes Mitglied sein sollte –, sondern setzten auf ein demokratisches, von unten aufgebautes und föderatives Europa. Es war gegen jegliches Konzept eines Weltstaates gerichtet.[3] Die Nationalstaaten sollten erhalten bleiben.[4] Bevor diese demokratischen Zielsetzungen ausreifen konnten, verschwanden sie jedoch im aufziehenden Kalten Krieg. Schon die OEEC (Organisation for European Economic Co-operation) wurde 1948 mit einer anderen Zielrichtung begründet.[5] Spätestens mit dem Brüsseler Pakt und dem Europarat-Abkommen vom 5.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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