Vor bald 75 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. Danach soll Westdeutschland, so will es die Legende, ein einzigartiges „Wirtschaftswunder“ erlebt haben, das allein der Währungsreform zu verdanken sei. Und wie in jedem Märchen gibt es dabei auch einen Helden: Ludwig Erhard. Selbst Grüne lassen sich inzwischen mit seinem Konterfei abbilden. Ganz allein soll Erhard die neue D-Mark eingeführt und die „soziale Marktwirtschaft“ erfunden haben. In diesem Narrativ ist Erhard ein überragender Ökonom und Staatsmann, der Deutschland aus tiefster Not errettet hat.
Erhard hat von diesem Nimbus schon deswegen profitiert, weil er wie das personifizierte Wirtschaftswunder aussah. Rundlich und gemütlich, paffte er stets an einer Zigarre, was sorgsam inszeniert war: Sie sollte die Fabrikschlote des Wiederaufbaus symbolisieren.[1] Diese Selbstdarstellung wirkt bis heute. Noch immer wird Erhard gefeiert, als wäre er ein ökonomischer Meisterdenker gewesen. Doch nichts davon stimmt. Die deutsche Mark war keine westdeutsche Erfindung, sondern wurde von den Amerikanern durchgesetzt. Auch ein rein bundesdeutsches „Wirtschaftswunder“ gab es nicht – fast alle westeuropäischen Staaten wuchsen rasant (besonders erfolgreich war übrigens Spanien).