Plädoyer für einen ethisch sensiblen Liberalismus

Bild: Robert Habeck, Annalena Baerbock, Olaf Scholz, Christian Lindner verkünden die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zu einer möglichen Regierungsbildung im Rahmen einer Ampel-Koalition nach der Bundestagswahl, 15.10.2021 (IMAGO / Chris Emil Janßen)
Im Zuge der schwierigen Koalitionsverhandlungen zwischen drei höchst unterschiedlichen Parteien mit disparaten normativen Wurzeln ist auch die Frage virulent geworden, was heute – in Zeiten der Corona- und Klimakrise – unter der Verteidigung der Freiheit und damit unter einem aufgeklärten Liberalismus zu verstehen ist. Wenn heute landläufig vom Liberalismus – zumal als Parteiliberalismus die Rede ist –, erscheint er vielen als Vulgärform eines apolitischen Marktradikalismus, dessen Dominanz für soziale Ungleichheit, Migration, Klimawandel und nationalistisch-populistische Gegenbewegungen verantwortlich zeichnet. Immer getreu der Devise: „Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht.“ Diese Form der negativen Freiheit, die vor allem den Einzelnen vor den Eingriffen des Staates schützen und von den Zumutungen des sozialen Lebens entlasten möchte, charakterisiert weiterhin ein libertäres Selbstverständnis, das mit gesellschaftlicher Verantwortung und Gemeinwohlorientierung fremdelt.
Gerade in der Coronakrise wird uns noch einmal deutlich vor Augen geführt, wie fahrlässig es wäre, eine solche streng individualistische Freiheitsauffassung als Liberalismus durchgehen zu lassen.