Die deutschen Deutungseliten und die NS-Vergangenheit

Bild: Entnazifizierter Reichsadler an einem ehemaligen Hochbunker in München, 20.8.2020 (IMAGO / Rolf Poss)
Die Carl Friedrich von Siemens Stiftung war in den vergangenen Monaten wiederholt Gegenstand kritischer Berichterstattung in den deutschen Feuilletons. Mindestens zu Teilen hing das mit jenem Thema zusammen, von dem heute Abend ausführlich die Rede sein soll: nämlich mit dem Umgang der deutschen Deutungseliten mit der nationalsozialistischen Vergangenheit. Ich werde auf diesen Zusammenhang im Laufe des Vortrags zurückkommen, will aber schon hier sagen: Dazu gehört natürlich auch, dass die Stiftung bereits vor Jahrzehnten Anlass gehabt hätte, sich von ihrem langjährigen Geschäftsführer Armin Mohler zu distanzieren, zum Beispiel 1995, als er sich in einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung ausdrücklich zwar nicht als Nationalsozialist, aber zum Faschismus bekannte. Dass diese Distanzierung nicht geschah, liegt als Schatten auch über der Amtsführung seines damaligen Wunschnachfolgers Heinrich Meier.
Aber lassen Sie mich zunächst die Umstände offenlegen, unter denen der heutige Abend zustande gekommen ist. Ende April letzten Jahres erreichte mich eine Nachricht von Marcel Lepper, der sich als neuer Geschäftsführer dieses Hauses vorstellte und mir dann in einem Telefonat sein Vorhaben skizzierte, dessen Geschichte in der Ära seines Vor-Vorgängers Mohler aufzuarbeiten. Dazu, so erklärte er mir, wolle er die Akten der Stiftung digital aufbereiten lassen und zu gegebener Zeit den Rat externer Fachleute einholen.