Ausgabe Oktober 2023

Für einen neuen Faschismusbegriff

Warum wir bei Putin, Orbán und Co. nicht nur von Rechtspopulismus sprechen sollten

Wladimir Putin und Narendra Modi in New Delhi, 6.12.2021 ( IMAGO / Sanjeev Verma / Hindustan Times)

Bild: Wladimir Putin und Narendra Modi in New Delhi, 6.12.2021 ( IMAGO / Sanjeev Verma / Hindustan Times)

Der fortwährende Skandal des russischen „antifaschistischen“ Verteidigungskriegs zur „Denazifizierung“ der Ukraine scheint die westlichen Beobachter in eine Art Schockstarre versetzt zu haben. Während die politische Koalition gegen die russische Aggression bislang überraschend stabil und handlungsfähig ist, hat eine terminologische Gegenwehr seither kaum stattgefunden. Dabei war schon lange vor dem 24. Februar 2022 absehbar, dass die globale Landkarte politischer Ideen und Bewegungen neu vermessen werden muss, und zwar nicht nur wegen der zynischen Behauptung „antifaschistischer“ Ziele einer imperialistischen russischen Politik, die Moskau vor allem mit Blick auf die eigene Bevölkerung geschichtspolitisch instrumentalisiert. Weit über die aktuellen Ereignisse in Osteuropa hinaus erweist der Blick auf eine lange Reihe internationaler politischer Bewegungen, Parteien und Regimes – von Ungarn und Belarus über Brasilien und die Türkei bis zu den Philippinen oder Indien, aber auch in gestandenen Demokratien wie den USA, Frankreich, Italien, Österreich bis hin zu den skandinavischen Ländern – ein deutliches Defizit im begrifflichen Instrumentarium. „Rechts“, „rechtspopulistisch“, „rechtsextrem“, „national-autoritär“ – all diese Titel und deren Abwandlungen vor allem in der Wortfamilie um „Populismus“ werden wieder und wieder bemüht, um sehr heterogene, im Kern aber strukturverwandte politische Phänomene zu kennzeichnen.

»Blätter«-Ausgabe 10/2023

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In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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