Ausgabe Juli 2025

»Deutsch-Südwest« unter Merz: Zurück zur Schuldabwehr?

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfängt Nangolo Mbumba, den Staatspräsidenten Namibias, im Schloss Bellevue (IMAGO / Metodi Popow)

Bild: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfängt Nangolo Mbumba, den Staatspräsidenten Namibias, im Schloss Bellevue (IMAGO / Metodi Popow)

Schon am Beginn des Ersten Weltkriegs musste Deutschland seinen „Platz an der Sonne“ räumen. Zuvor war das Kaiserreich kurzzeitig zur viertgrößten Kolonialmacht aufgestiegen, aber nun übernahmen die Kriegsgegner der Entente dessen okkupierte Territorien in Afrika und der Südsee. In „Deutsch-Südwestafrika“, dem heutigen Namibia, besetzten südafrikanische Truppen im Mai 1915 die Hauptstadt Windhoek. Am 9. Juli 1915 kapitulierte dann die deutsche Kolonialmacht fast kampflos. 

Zehn Jahre zuvor hatten deutsche „Schutztruppen“ dort den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts verübt. Nach Schätzungen bezahlten bis zu zwei Drittel der Ovaherero und etwa die Hälfte der als „Hottentotten“ verunglimpften Nama ihren Widerstand mit dem Leben. Die Opfer der Damara („Klippkaffern“) und San („Buschleute“) wurden nicht gezählt und als Kollateralschaden verbucht. Überlebende wurden in Konzentrationslager gesperrt. Zwangsarbeit und Mangelversorgung töteten zahlreiche Gefangene. Vergewaltigungen hinterließen bis in die Gegenwart Nachfahren mit „deutschem Blut“. Deren genetische Abstammung bietet allerdings keinen Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft.

Auf den Ruinen der zerstörten Gesellschaften errichtete die Kolonialmacht eine strikte Rassentrennung und siedelte die einheimische Bevölkerung in Reservate um. Der Reichstag beschloss 1907, die Besiegten von Land und Vieh zu enteignen.

»Blätter«-Ausgabe 7/2025

Sie haben etwa 9% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 91% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (12.00€)
Druckausgabe kaufen (12.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Koloniale Nachwehen: Der Kampf um Kaschmir

von Amadeus Marzai

Ein brutaler Terroranschlag riss am Nachmittag des 22. April das idyllische Baisaran-Gebirgstal im von Indien kontrollierten Teil Kaschmirs aus seiner Ruhe. Es war der Beginn einer rapiden Eskalation im seit jeher angespannten indisch-pakistanischen Verhältnis und könnte sogar zum Ausgangspunkt eines größeren Krieges zwischen den beiden Nuklearmächten werden.

Neukaledonien: Selbstbestimmt oder postkolonial dominiert?

von Oliver Eberl

Die dramatischen Bilder vom Mai 2024 glichen jenen von vor vierzig Jahren: Damals schon kämpfte in Neukaledonien – der kleinen, im südwestlichen Pazifik liegenden Inselgruppe – eine indigene Unabhängigkeitsbewegung mit Straßensperren und Blockaden gegen eigenmächtige Entscheidungen des französischen Zentralstaats.