Ausgabe Oktober 2025

Rap als Ermächtigungsmusik

Der vielstimmige Chor des Antiliberalismus

Kollegah bei einem Live-Auftritt, 1.4.2017 (IMAGO / HMB Media / Lukas Seufert)

Bild: Kollegah bei einem Live-Auftritt, 1.4.2017 (IMAGO / HMB Media / Lukas Seufert)

Alle öden Langweiler auf dieser Welt können sich auf Adele einigen.“ So wie der Schriftsteller Heinz Strunk einmal die Liebeskummerballaden der britischen Popsängerin als „Konsensmusik für Kleinbürger“[1] verwarf, hält man in kulturbeflissenen Kreisen dem Massengeschmack gerne vor, brav und angepasst zu sein. Doch wenn Haftbefehls „096“ millionenfach mit den Worten „Rothschild-Theorie: jetzt wird ermordet“ aus den Lautsprecherboxen der Republik knallt, kann man eines wohl nicht mehr bemängeln: Harmlosigkeit. Zumindest die Jugend hat sich inzwischen mehrheitlich auf ein Genre geeinigt, das radikal kann. Rap ist die mit Abstand beliebteste Musikrichtung unter Heranwachsenden.[2] Kein anderes Genre prägt den Alltagsverstand junger Deutscher so stark wie Rap. 

Und kein anderes Genre vermag es vermutlich, so divers antidivers zu sein. Provokation und Protest gehören zwar zur DNA des Rap, und uneigentliches Sprechen ist auch aus Subkulturen wie dem Punk bekannt, nicht jeder Satz ist daher wörtlich zu nehmen. Aber zum Inventar des Rap zählt ein besonderes Ensemble aus Antiliberalismen. Millionen Menschen bestreiten ihren Alltag mit dezisionistischen, maskulinistischen und biologistischen Botschaften im Ohr. Der Chor ihrer Urheber ist dabei bemerkenswert vielstimmig: Akteure rechter, islamisch-migrantischer und linker Provenienz wenden sich gegen liberale Ordnungsvorstellungen.

»Blätter«-Ausgabe 10/2025

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