Ausgabe Juni 2011

Libyen: Lizenz zum Töten?

In Libyen, dem Land mit den reichsten Ölvorkommen Afrikas, herrscht bis heute je nach Blickwinkel ein exaltierter Autokrat oder ein skrupelloser Diktator. Es ist derselbe, den die Regierungen Europas in ihren Hauptstädten mit protokollarischen Ehren hofierten, den sie an repräsentativen Stätten sein Beduinenzelt aufschlagen ließen, mit dem sie Handel trieben und Geschäfte schlossen und dessen modernste Waffen europäischer Produktion entstammen. Anders als in Tunesien und Ägypten hat die Aufstandsbewegung den alten Machthaber bislang nicht aus dem Amt zu drängen vermocht. Gaddafis Anhänger kontrollieren den bedeutenderen, die Oppositionellen den übrigen Teil des Landes. Um Größe und Grenzen der jeweiligen Besitzstände wird gekämpft.

Nach UN-Kriterien zählt Gaddafis Libyen zu den hochentwickelten Ländern der Erde. Der Human Development Index, eine Art Messlatte für Wohlstand und wirtschaftliche Entwicklung, erfasst die Lebenserwartung, den Bildungsgrad und das Jahreseinkommen eines durchschnittlichen Einwohners. Auf der globalen Länderliste belegt Libyen Platz 53. Damit überragt es alle anderen afrikanischen Staaten. Die Platzierung verrät zwar nichts über den Charakter des politischen Systems, nichts über Rechtsstaatlichkeit und persönliche Freiheiten.

Sie haben etwa 11% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 89% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (9.50€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Gaza: Hält der erzwungene Frieden?

von Ignaz Szlacheta

Erst als am 13. Oktober morgens die 20 noch lebenden Geiseln freigelassen worden waren und kurz darauf auch knapp 2000 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freikamen, wich die Anspannung. Vorher beschrieb der katarische Nachrichtensender Al-Araby die Stimmung im Gazastreifen als einen „Zustand des Wartens und der Wachsamkeit, begleitet von großer Zuversicht“.

Gaza und die Ära der Straflosigkeit

von Seyla Benhabib

Künftige Historikerinnen und Historiker, die auf den Israel-Gaza-Konflikt zurückblicken, werden möglicherweise erkennen, dass dieser Konflikt an der Schnittstelle dreier Entwicklungen steht, die gemeinsam das Koordinatensystem der nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten internationalen Institutionen völlig verschoben und eine neue Ära eingeläutet haben.