Ausgabe Juni 1990

Verfassungspatriotismus

Grundsätzliches zu einer imaginären Debatte

Der folgende Beitrag des Heidelberger Erziehungswissenschaftlers und Frankfurter Stadtverordneten der Grünen, Micha Brumlik, nimmt die Debatte um die "demokratische Frage" auf, um sie am aktuellen Thema der Auseinandersetzung um die verfassungsmäßig gebotene Form der Vereinigung beider deutscher Staaten zu führen. Bezugspunkt der Kritik des Autors ist das vor allem von Jürgen Habermas entfaltete Konzept eines "Verfassungspatriotismus" sowie die von ihm und anderen vertretene Option für den Art. 146 GG als Grundlage des Vereinigungsprozesses. Brumliks Beitrag setzt die Reihe der Interventionen von Otto Kallscheuer (11/1989) und Helmut Dubiel (4/1990) fort. D. Red.

Fiat discursus, pereat mundus?
I

Die Geschichte ist über das, was im folgenden zu kommentieren ist, bereits hinweggegangen. Somit sind allenfalls einige Fragen nachzutragen - Fragen, die uns eventuell Aufschluß über ein politisch-politologisches Gespenst geben können: den "Verfassungspatriotismus"! Die Debatte, um die es geht, rankte sich um die Frage, ob die DDR sich gemäß Art. 23 GG in der Summe ihrer Länder der Bundesrepublik und ihrem Grundgesetz a n s c h l i e ß e n, oder ob gemäß Art. 146 GG über den Weg einer Verfassungsdebatte ein n e u e r d e u t s c h e r S t a a t g e g r ü n d e t werden solle.

Juni 1990

Sie haben etwa 7% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 93% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Warnungen aus Weimar

von Daniel Ziblatt

Autokraten sind vielerorts auf dem Vormarsch. Ihre Machtübernahme ist aber keineswegs zwangsläufig. Gerade der Blick auf die Weimarer Republik zeigt: Oft ist es das taktische Kalkül der alten Eliten, das die Antidemokraten an die Macht bringt.

Von Milošević zu Trump: Die bosnische Tragödie und der Verrat an den Bürgerrechten

von Sead Husic

Es herrschte keine Freude bei der bosnisch-herzegowinischen Regierungsdelegation am 22. November 1995 auf dem Wright-Patterson-Luftwaffenstützpunkt in Dayton. Eben hatte sie dem Friedensabkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien, die noch aus Serbien und Montenegro bestand, und Kroatien zugestimmt, doch sie fühlte sich betrogen.