Erklärung des DDR-Ministerpräsidenten Hans Modrow vom 1. Februar 1990 (Wortlaut)
Europa tritt in eine neue Etappe seiner Entwicklung ein. Das Nachkriegskapitel wird abgeschlossen. Voraussetzungen für eine friedliche und gutnachbarliche Zusammenarbeit aller Völker bilden sich heraus. Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten rückt auf die Tagesordnung.
Das deutsche Volk wird seinen Platz beim Aufbau der neuen Friedensordnung finden, in deren Ergebnis sowohl die Teilung Europas in feindliche Lager als auch die Spaltung der deutschen Nation überwunden werden. Es ist die Stunde gekommen, einen Schlußstrich unter den Zweiten Weltkrieg zu ziehen, einen deutschen Friedensvertrag abzuschließen. Durch ihn würden alle Probleme geregelt, die mit der Aggression Hitler-Deutschlands und dem Scheitern des Dritten Reiches verbunden sind.
Eine endgültige Lösung der deutschen Frage kann nur in freier Selbstbestimmung der Deutschen in beiden Staaten erreicht werden, in Zusammenarbeit mit den Vier Mächten und unter Berücksichtigung der Interessen aller europäischen Staaten. Sie muß den gesamteuropäischen Prozeß fördern, der unseren Kontinent ein für allemal von militärischen Gefahren befreien soll. Die Annäherung beider deutscher Staaten und ihre nachfolgende Vereinigung darf durch niemanden als Bedrohung betrachtet werden. In diesem Sinne schlage ich einen verantwortungsbewußten nationalen Dialog vor. Sein Ziel sollte es sein, konkrete Schritte zu bestimmen, die zu einem einheitlichen Deutschland führen, das ein neuer Faktor der Stabilität, des Vertrauens, des Friedens in Europa zu werden bestimmt ist.
Die Vertreter der DDR und der BRD könnten mit einem solchem Dialog und in gleichberechtigten Verhandlungen bestmögliche Antworten auf die Frage nach der Zukunft der deutschen Nation finden.
Die Schritte auf dem Weg zur deutschen Einheit könnten sein:
- Abschluß eines Vertrages über Zusammenarbeit und gute Nachbarschaft als eine Vertragsgemeinschaft, die bereits wesentliche konföderative Elemente enthalten sollte wie Wirtschafts-, Währungs- und Verkehrsunion sowie Rechtsangleichung.
- Bildung einer Konföderation von DDR und BRD mit gemeinsamen Organen und Institutionen, wie z.B. parlamentarischer Ausschuß, Länderkammer, gemeinsame Exekutivorgane für bestimmte Bereiche.
- Übertragung von Souveränitätsrechten beider Staate an Machtorgane der Konföderation.
- Bildung eines einheitlichen deutschen Staates in Form einer Deutschen Föderation oder eines Deutschen Bundes durch Wahlen in beiden Teilen der Konförderation, Zusammentreten eines einheitlichen Parlaments, das eine einheitliche Regierung mit Sitz in Berlin beschließt.
Notwendige Voraussetzungen für diese Entwicklung:
- Jeder der beiden deutschen Staaten trägt dafür Sorge, die Schritte zur Einheit Deutschlands mit seinen Verpflichtungen gegenüber anderen Ländern und Ländergruppen sowie mit notwendigen Reformen und Veränderungen in Übereinstimmung zu bringen. Hierzu gehört der Übergang der DDR zur Landerstruktur, Wahrung von Stabilität, Recht und Gesetz im Innern gehören ebenso zu den unabdingbaren Voraussetzungen wie die strikte Erfüllung früher abgeschlossener Verträge zwischen der DDR und der BRD, die unter anderem vorsehen, sich gegenseitig nicht in die inneren
Angelegenheiten einzumischen. [...]
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