Ausgabe Juli 1991

Wenn der Alltag fremd wird

Modernisierungsschock und Fremdenfeindlichkeit

I

"Ein neues Gespenst geht heute auf der politischen Bühne Europas um: die Xenophobophilie. Die Bezeichnung trifft nicht nur auf diejenigen zu, die zum Anwachsen der Ausländerfeindlichkeit beitragen, um sie politisch auszunutzen, sondern auch diejenigen, die das Auftauchen ausländerfeindlicher Tendenzen zwar nicht billigen, aber dennoch versuchen, politischen Nutzen daraus zu ziehen." Der Untersuchungsausschuß "Wiederaufleben des Faschismus und Rassismus in Europa" des Europäischen Parlaments hatte in seinem Bericht vom Dezember 1985 auf zwei zentrale Probleme von Fremdenfeindlichkeit hingewiesen. Gleichwohl wird damit noch zu sehr das Problem auf die politische Arena eingeengt und gewissermaßen im Raster politischer Organisationen betrachtet. Dies ist sicherlich nicht falsch, aber eine Verengung, wenn es um Erklärungen gehen soll. Dazu bietet es sich an, die Phänomene breiter zu fassen, denn laut Eurobarometer-Umfrage von 1988 glaubt jeder dritte Europäer, daß es in seinem Land zu viele Angehörige anderer Völker oder Rassen gebe.

Dann zeigen sich zunächst zumindest F r e m d h e i t sg e f ü h l e gegenüber anderen als ein gesellschaftliches Massenphänomen, das sich in der Regel in einer Haltung der D i s t a n z ausdrückt.

Juli 1991

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