Ausgabe Juni 1991

Erweiterung und Vertiefung sind nicht unvereinbar

Die EG in einer gesamteuropäischen géometrie variable

Aufgeschreckt durch die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands, angetrieben durch die Einflußlosigkeit Europas in der Golf-Krise und bestärkt durch die Fortschritte bei der Vollendung des Binnenmarkts, haben die Staats- und Regierungschefs der EG-Staaten im Dezember 1990 zwei Konferenzen einberufen: Die eine soll einen Vertrag über die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) ausarbeiten, in deren Zentrum die Schaffung einer Europäischen Zentralbank mit einer gemeinsamen Währung stehen wird. Die andere soll die vertraglichen Grundlagen für die Politische Union schaffen.

In ihren Beratungen stehen die Übertragung von neuen Kompetenzen auf die EG, insbesondere im Bereich der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, sowie die Reform des Entscheidungsprozeßes mit dem Ziel größerer Effektivität und breiterer demokratischer Legitimität im Mittelpunkt. Beide Konferenzen sollen ihre Arbeiten bis Ende 1991 abschließen. Ihr Ergebnis muß dann von den Parlamenten der Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Ende 1992 könnte die umfassendste Reform der Gemeinschaft seit der Gründung der EWG im Jahre 1957 in Kraft treten. Die EG steht vor einem qualitativen Sprung von der intergouvernemental-kooperativen zur parlamentarisch-bundesstaatlichen Organisation.

Juni 1991

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