Ernüchterung und Enttäuschung sind eingezogen, wenn es um die Hoffnungen geht, die sich mit den friedlichen Revolutionen des Herbstes 1989 verbanden. Auf den Straßen von Leipzig, Berlin und Prag, von Budapest und Sofia schien ein neuer Völkerfrühling anzubrechen. In Polen hatte die Solidarnosc bereits gesiegt, und selbst in der Sowjetunion wuchs die Hoffnung auf eine friedliche Kontinuität demokratischer Veränderungen. Zwei Jahre später sieht das Bild viel düsterer aus. Zwischen wirtschaftlicher Stagnation und erneuter politischer Apathie der breiten Bevölkerung brechen Demagogie und Nationalismus auf, schüttelt das Erbe der stalinistischen Herrschaft und der Rückständigkeit die Gesellschaften wie Fieberschauer. In Polen strebt der katholische Klerus die unumschränkte geistige Führungsmacht an, die Solidarnosc ist tief zerstritten und kann sich zwischen Gewerkschaft und politischer Kraft nicht entscheiden.
In Ungarn liefern sich Nationalisten und Kosmopoliten der alten Opposition die heftigsten Kämpfe. Das Staatsgebilde von Tschechen und Slowaken droht trotz der Autorität eines V clav Havel auseinanderzubrechen und das Bürgerforum als Träger der "samtenen Revolution" ist tief zerspalten.