Ausgabe Oktober 1991

Rücktrittserklärung Michail Gorbatschows als Generalsekretär der KPdSU vom 24. August 1991 (Wortlaut)

Das Sekretariat und das Politbüro der KPdSU haben sich nicht gegen den Staatsstreich gestellt, das Zentralkomitee konnte keine entschiedene Position der Verurteilung und des Widerstandes einnehmen. Es hat die Kommunisten nicht für den Kampf zum Schutz der verfassungsmäßigen Gesetzlichkeit aufgerufen. Unter den Verschwörern waren Mitglieder der Parteiführung; eine Reihe von Parteikomitees und Massenmedien unterstützten die Handlungen der Staatsverbrecher.

Dies hat Millionen Kommunisten in eine verlogene Situation gebracht. Viele Parteimitglieder lehnten es ab, mit den Verschwörern zusammenzuarbeiten, verurteilten den Umsturz und nahmen am Kampf gegen ihn teil. Niemand hat das moralische Recht, alle Kommunisten wahllos zu beschuldigen. Und ich halte es als Präsident für meine Pflicht, sie als Bürger gegen grundlose Beschuldigungen zu verteidigen. Unter diesen Umständen muß das ZK der KPdSU die schwere, aber ehrliche Entscheidung über eine Selbstauflösung treffen.

Das Schicksal der Parteiorganisationen in den Republiken und vor Ort müssen diese selbst bestimmen. Ich halte die weitere Ausübung der Funktion des Generalsekretärs der KPdSU für mich für nicht mehr möglich und lege die entsprechenden Vollmachten nieder. Ich glaube, daß die demokratisch gesinnten Kommunisten, die sich den Glauben an die verfassungsmäßige Gesetzesordnung und den Kurs für eine Erneuerung der Gesellschaft erhalten haben, für die Gründung der Partei auf neuer Grundlage eintreten.

Diese ist zusammen mit allen progressiven Kräften fähig, aktiv für die Fortsetzung eines grundlegenden demokratischen Wandels im Interesse der arbeitenden Menschen einzutreten.

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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