Über die Konstruktion von Menschenrassen
In der Vorbemerkung seines Stücks "Die Neger" fragt Jean Genet hinterhältig: "Was ist eigentlich ein Schwarzer? Und vor allem: welche Farbe hat er?" Das impliziert ersichtlich die provokative Antwort, die Annahme, Schwarze seien von Natur aus schwarz, beruhe auf einer Täuschung. Diese freilich tritt seit der Mitte des 18. Jahrhunderts als wissenschaftliche Erkenntnis auf. Carl von Linn hat die Hautfarbe zur entscheidenden Grundlage seiner Einteilung der verschiedenen Arten des Menschen gemacht.
Nachdem er dabei über zahlreiche Auflagen hinweg mit der Farbgebung experimentiert, entscheidet er sich schließlich bis zur dreizehnten Auflage für eine bis heute vertraut klingende Einteilung in: homo europaeus albus, den weißen Europäer - homo americanus rufus, den roten Amerikaner - homo asiaticus luridus, den blaßgelben Asiaten - und homo africanus niger, den schwarzen Afrikaner. Setzt man diese Farbskala mit jener der ersten Auflage in Beziehung, so gibt schon der bloße Vergleich den Blick frei auf die Subjektivität solcher Tönung. Der Europäer ist hier noch nicht albus, weiß, sondern albescens, weißwerdend der Amerikaner ist noch nicht rufus, rot, sondern rubescens, rotwerdend 1).