Für Jens Reich war der Gang in das neueste Deutschland genauso konzeptionslos wie der von 1870/71. Die Bewußtseinslage der Deutschen habe etwas Gartenzwerghaftes. Was die Konzeptionslosigkeit betrifft, so beruht ein Teil der Brutalität des kapitalistischen Systems, so meine ich, auf der weitgehenden Überflüssigkeit von Konzepten und Ideen, von Vernunft überhaupt. Als im DDR-Sozialismus die Idee immer mehr verblaßte, versiegte die Kraft. Das kapitalistische System bedurfte zur Aneignung des DDR-Vermögens keiner Idee, sondern nur der Grenzöffnung. Was die gartenzwerghafte Mentalität angeht, so sollte man sich von der Oberfläche nicht täuschen lassen. Gerade wir Ostdeutschen, die wir die klare Losung "Was die Partei beschloß, wird sein" gewohnt waren, haben Schwierigkeiten, hinter der Flexibilität, den vielen Versuchsballons Zielstellungen zu erkennen, die unter wechselnder Einbindung und Vorführung der SPD verfochten werden; und jedenfalls in der Außenpolitik gibt es eine solche Zielstellung.
Jens Reich hat vermutet, daß Genscher und Kohl froh waren, daß sie sich mit einem Scheck aus dem Golfkrieg zurückziehen konnten. Wie immer das war, heute jedenfalls ist die mangelnde Bereitschaft, Blut (anderer) zu vergießen und die Beschränkung auf Geldzahlungen ein Anklagepunkt.