Geoökonomische Interessen der USA und Europas in Lateinamerika
"Amerika kommt in Mode" lautete vor einem Jahr eine Schlagzeile in der spanischen Zeitung "El Pa¡s". Der dazu gehörende Kommentar bezog sich auf den Iberoamerikanischen Gipfel, der im Juni 1994 im kolumbischen Cartagena stattgefunden hatte und zum fünften Mal in Folge die Staats- und Regierungschefs Lateinamerikas, Portugals und Spaniens zusammenführte. Nachfolgende Ereignisse im zweiten Halbjahr 1994 schienen diese für viele Beobachter überraschende Ankündigung zu bestätigen. Zeitweilig entstand der Eindruck, die Europäer und die USA würden regelrecht um die Gunst der "Miss Lateinamerika" buhlen: Während im Dezember die Staatsund Regierungschefs Lateinamerikas, der USA, Kanadas und der Karibik auf einem Gipfeltreffen in Miami Verhandlungen über die Schaffung einer die gesamte Hemisphäre umfassenden Freihandelszone ankündigten, beschloß der gleichzeitig in Essen tagende Gipfel der Europäischen Union (EU) erste Schritte auf dem Weg zu einem Freihandelsabkommens mit den Ländern des MERCOSUR - Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay - einzuleiten und auf eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen mit Chile und Mexiko hinzuarbeiten. Hinter diesem Werben um Lateinamerika stehen handfeste Eigeninteressen der fahrenden Industrienationen, die um Absatzmärkte und wirtschaftliche Einflußzonen konkurrieren und dies auch offen bekennen.