Achtundsechzig als die andere Seite des Vietnam-Syndroms
Am 4. Mai 1970 eröffnete auf dem Campus der State University von Kent/Ohio die Nationalgarde das Feuer auf eine Demonstration gegen den Vietnamkrieg. Vier Studenten wurden getötet, neun verwundet. Der Gouverneur erklärte, die Studenten seien schlimmer als Braunhemden. Keiner der Verantwortlichen für den Vorfall, der nicht nur Amerika schockierte, wurde jemals belangt, keiner hat sich entschuldigt. Am 2./3. Mai dieses Jahres veranstaltete die Kent State University ein Symposium in Erinnerung an den Mai 1970. Todd Gitlin, einer der Begründer der 68er Bewegung in Berkeley, hat dort gesprochen und die Druckfassung seiner Rede den "Blättern" zur Verfügung gestellt. 20 Jahre nach dem Ende des Vietnamkriegs referiert Gitlin, Autor eines Standardwerks über "1968", die Zusammenhänge zwischen der - zwei Jahrzehnte danach von Robert McNamara eher beiläufig als "Fehler" eingestandenen indochinesischen Verstrickung der USA und der 68er Revolte. So wenig "überwunden" wie das "Vietnam-Trauma" selbst, wird "68", die vermeintliche Abkehr einer Generation zwischen Berkeley, Paris, Frankfurt und Berlin von den Idealen des Westens, kenntlich als schockartige Desillusionierung über deren Deformation, aber zugleich als Stachel, die Demokratie beim Wort zu nehmen. - D. Red.