Ausgabe April 1996

Treuhandsalat

Vor genau fünf Jahren, am 1. April 1991, wurde der Präsident der Berliner Treuhandanstalt Detlev Carsten Rohwedder gegen Mitternacht im Arbeitszimmer seines Düsseldorfer Hauses erschossen. Der oder die Täter sind - ein "RAF-Bekennerschreiben" gibt es in solchen Fällen immer - bis heute unbekannt. Rohwedder hat ein Vermächtnis hinterlassen. Fünf Monate zuvor sprach er vor geladenem Publikum der Österreichischen Bundeswirtschaftskammer in Wien einen Satz, der in verschiedenen Versionen überliefert ist. "Das Ganze ist etwa 600 Milliarden Mark wert." 1) So steht es in dem von Birgit Breuel 1993 herausgegebenen Tagebuch "Treuhand intern". Zwei Monate vor Erscheinen des Buches war in den Druckfahnen der Satz noch in seinem Originalwortlaut zu lesen: "Der ganze Salat ist etwa 600 Milliarden Mark wert." 2) Ob der ganze Salat oder das Ganze - gemeint war stets das von der Treuhandanstalt verwaltete Volksvermögen der damals gerade beendeten DDR. Die Treuhand in Berlin war ursprünglich keine westdeutsche Erfindung zur Verteilung des ostdeutschen Volksvermögens, sie war vielmehr entstanden aus den Hoffnungen und Träumen der Bürgerrechtsbewegung der DDR.

Denn die Treuhand, das war ursprünglich die Idee derjenigen, die im Herbst 1989 auf die Straße gingen und riefen: "Wir sind das Volk". Am 12.

April 1996

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